Mein Samstag

Zehn Mal probieren, bis es schmeckt?

Es gibt Lebensmittel, die hat man schon ewig nicht mehr gekostet. Kann man sich an sie gewöhnen?

„Ich glaube, dass mir jetzt langsam Gorgonzola schmecken sollte“, sagt S. zu mir, und ich frage ihn: „Wie soll das gehen?“ Denn bei all den unterschiedlichen Käsen, die S. sonst so gerne mag, verband uns immer der gemeinsame Feind: der Gorgonzola, eben. Diese Meinung ist mehrheitsfähig und gesellschaftlich akzeptiert, aber S. will die eigene offenbar ändern. „Ich esse ihn schon so lange nicht, dass ich nicht weiß, ob es aus Prinzip ist. Oder ob es wirklich etwas mit meinem Geschmack zu tun hat.“

Irgendwann beginnen sich im Leben ja wirklich die kulinarischen Präferenzen zu verändern – ich bin mir nur selbst nicht sicher, wann genau das geschieht. Es gibt diese typischen Lebensmittel, die Kinder oft verachten und Erwachsene lieben: Pilze zum Beispiel. Aber wie passiert es, dass man bestimmte Gerichte ein Leben lang ablehnt? Ich mag Kaffee – aber keine Schokolade mit Kaffeegeschmack. Oliven in einem Brot sind in Ordnung, pur schmecken sie mir gar nicht. Vielleicht kann man sich tatsächlich dazu entscheiden, es zu ändern. Irgendwo in meinem Hinterkopf habe ich mir noch den Spruch gemerkt: Man muss Sachen zehn Mal kosten, um zu entscheiden, ob man etwas mag.

Eine schnelle Internetrecherche ergibt allerdings, dass sie gar nicht stimmt. Also, die Zahl. In Artikeln wird eine französische Studie zitiert: Demnach haben Kinder bittere Speisen elf Mal kosten müssen, um sich später freiwillig dafür zu entscheiden. Geschmacksforscher Per Møller sagte der „Zeit“ auch, dass man das eigene Gehirn austricksen könnte: indem man Essen, das man mag, mit anderen Lebensmitteln kombiniert. Die Chancen stehen gut, dass sie am Ende schmecken.

Ich werde das Experiment also beobachten – bei S. Ich bleibe lieber gorgonzolafrei. Man kann sich ja auch einfach dazu entscheiden, etwas nicht zu mögen.

E-Mails an:iris.bonavida@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2022)

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