Wort der Woche

Leguminosen

Soja, Erbsen und andere Leguminosen erleben derzeit einen Boom: Wegen ihrer Symbiose mit Knöllchenbakterien benötigen sie keinen teuren Stickstoffdünger.

Die Energiekrise im Gefolge des Ukraine-Kriegs hat unzählige Folgen – auch in Bereichen, in denen man sie auf den ersten Blick nicht erwarten würde. So erleben in der Landwirtschaft derzeit Leguminosen (Hülsenfrüchtler) einen Boom: Die Anbaufläche von Soja ist in Österreich heuer sprunghaft um 23Prozent gewachsen, und auch die Erbse erlebt einen regelrechten Höhenflug – diese schon vor 9000 Jahren domestizierte Pflanze wurde kürzlich von der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften zur „Kulturpflanze des Jahres“ gekürt.

Was das mit der Energiekrise zu tun hat, ist rasch erklärt. Leguminosen gehen mit bestimmten Mikroorganismen eine Symbiose ein: Wenn Bakterien der Art Rhizobium in die Wurzeln eindringen, bilden sich Knöllchen – und in diesen können die Bakterien mithilfe des Enzyms Nitrogenase Luftstickstoff binden und in Ammoniak umwandeln. Die Pflanzen bekommen dadurch eine natürliche Stickstoffdüngung (zudem machen bestimmte Pilze Phosphor leichter verfügbar); im Gegenzug werden die Bakterien von den Pflanzen mit Glukose versorgt, überdies wird in den Knöllchen der Proteinkomplex Leghämoglobin gebildet, der die empfindlichen Mikroorganismen vor Sauerstoff schützt.

Der Nebeneffekt für Landwirte: Leguminosen benötigen so gut wie keine zusätzliche Stickstoffdüngung. Und da sich wegen der Erdgasverknappung die Preise für Stickstoffdünger (dessen Herstellung sehr viel Energie benötigt) binnen Jahresfrist verdreifacht haben, gibt es einen starken ökonomischen Anreiz zum Anbau von Hülsenfrüchten.

Diese Entwicklung spielt wiederum dem Trend zu vegetarischen und veganen Lebensmitteln in die Hände: Soja und Erbse, vermehrt auch Lupinen, Linsen oder Bohnen sind wegen ihrer hochwertigen Proteine sehr gefragt für die Herstellung von Fleisch- und Milchersatzprodukten. Während Soja schon seit mehr als 2000 Jahren zu Tofu verarbeitet wird und aus Kichererbsen mindestens ebenso lang Hummus und Falafeln fabriziert werden, entstehen derzeit völlig neuartige Lebensmittel auf Pflanzenbasis: etwa vegane Saucen aus Lupinen-, Desserts aus Bohnen- oder Burger aus Erbsenproteinen – Letztere lassen sich sehr gut texturieren, sodass sie tatsächlich eine fleischähnliche Anmutung haben.

Experten prophezeien, dass sich der Bedarf an Erbsenprotein bis 2025 vervierfachen wird. Leguminosen werden also auch nach dem Ende der Energiekrise – das wir irgendwann erleben werden – hoch im Kurs bleiben.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2022)

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