Der Zicksee im nördlichen Burgenland trocknete komplett aus.
Fokus auf
Klimawandel

Fünf Hitzewellen: Ein Sommer der Superlative endet

Zu heiß, zu trocken, zu wenige Blitze – der Sommer 2022 wird als einer der Rekorde in die Geschichte eingehen. Ein Meteorologe und sechs Betroffene im „Presse"-Gespräch über die Hintergründe sowie die Auswirkungen auf Gesundheit, Ressourcen und Wirtschaft.

Wem auch immer er eingefallen ist, der in sozialen Netzwerken verbreitete Satz „Denken Sie dran, dass dieser Sommer der vielleicht kühlste ist, den Sie auf absehbare Zeit erleben werden“ eignet sich perfekt, um den zu Ende gehenden Hitzesommer der Superlative und die derzeitige Klimasituation zu beschreiben.

Denn obwohl der Sommer viel zu heiß und viel zu trocken war, ist aufgrund des Klimawandels davon auszugehen, dass die künftigen ähnlich heiß oder noch heißer ausfallen werden – die Entwicklung der vergangenen Jahre lässt keinen anderen Schluss zu. Somit ist dieser Hochsommer, der am Donnerstag, Freitag und Samstag mit Regen, Gewittern und kräftiger Abkühlung in den Spätsommer übergegangen ist, ein Vorgeschmack auf das, was noch auf Österreich und Europa zukommt.

„Der Sommer 2022 wird im Hinblick auf die Temperaturen – heutiger Stand – auf Platz vier landen, aber auch Platz drei ist noch möglich“, sagt Konstantin Brandes, Meteorologe beim Wetterdienst Ubimet. Das hänge von den letzten beiden Wochen des Sommers ab, der aus meteorologischer Sicht am 31. August endet. Die wärmsten Sommer seit Messbeginn waren jene 2003, 2019 und 2015 – in dieser Reihenfolge.

Was die Trockenheit angeht, beträgt die Abweichung zu einem durchschnittlichen Sommer derzeit rund minus 20 Prozent. Es sind also nur 80 Prozent des sonst üblichen Regens gefallen, mit großen regionalen Unterschieden. Während es beispielsweise in Osttirol, im Mühl- und Waldviertel sogar überdurchschnittlich häufig regnete, litten der Osten und Südosten unter einer extremen Trockenheit. Vom Klagenfurter bis ins Wiener Becken und ins nördliche Burgenland fehlen rund 50 Prozent des üblichen Niederschlags.

Konstantin Brandes ist Meteorologe beim Wetterdienst Ubimet. Seiner Einschätzung nach wird es nach dem Hitzesommer 2022 auch in Zukunft fast nur noch Sommer geben, die im Vergleich zum langjährigen Schnitt zu warm sind.
Konstantin Brandes ist Meteorologe beim Wetterdienst Ubimet. Seiner Einschätzung nach wird es nach dem Hitzesommer 2022 auch in Zukunft fast nur noch Sommer geben, die im Vergleich zum langjährigen Schnitt zu warm sind. Caio Kauffmann

Was auch ein Grund dafür ist, dass dieser Sommer bei der Zahl der Blitze österreichweit nur auf Rang acht der vergangenen 14 Jahre liegt. In Vorarlberg, Tirol, Wien und im Burgenland war der Sommer 2022 sogar unter den Top drei der blitzärmsten Sommer seit Beginn der modernen Erfassung 2009.

Aus dem Weltall zu sehen

Neben den zahlreichen Hitzetagen und Tropennächten ist es also die Trockenheit, die von diesem Sommer ganz besonders in Erinnerung bleiben wird – vor allem im Osten des Landes. „Verdörrte Felder, ausgetrocknete Brunnen, Bäume, die ihr Laub schon im Hochsommer abwerfen, Grillverbote in Wien. Die Liste ließe sich noch lang fortsetzen“, sagt Brandes. „Selbst aus dem Weltall kann man im Wiener Becken den Unterschied zwischen grünen Feldern 2021 und braunen Feldern 2022 erkennen.“

So trocknete beispielsweise der Zicksee im nördlichen Burgenland komplett aus. Viele Fische konnten nicht gerettet werden. Auch der Neusiedler See meldet den tiefsten Wasserstand seit Messbeginn 1965. Derzeit liegt der Wasserstand nicht nur 25 cm unter dem alten Rekord von 2003, auf den durchschnittlichen Wasserstand fehlt fast ein halber Meter. „Da der Neusiedler See eigentlich erst im September bzw. Oktober seinen niedrigsten Wasserstand erreicht, stehen dem See wohl noch schwere Wochen bevor“, sagt Brandes und verweist auf ein anderes ungewöhnliches Ereignis in diesem Sommer. Eines der wichtigsten Gebirgsobservatorien der Welt, der Sonnblick in mehr als 3100Metern Höhe, meldete am 6. Juli keinen Schnee mehr. Der gesamte Schnee des Winters und Frühlings war in diesem Hochgebirge weggetaut – so früh wie noch nie zuvor. Der bisher früheste Tag für dieses Phänomen war der 13. August in den Jahren 2003 und 1963. Die Differenz beträgt also fünf Wochen.

Zurückzuführen sind diese Ereignisse unter anderem darauf, dass dieser Sommer zumeist unter einem kräftigen Hochdruckeinfluss gestanden ist, aber auch das verhältnismäßig trockene Frühjahr spielt eine Rolle. Gewitter führten häufig nur lokal zu Entspannungen, flächendeckender Regen blieb größtenteils aus. Zudem war bereits der Winter äußert mild und schneearm, weswegen den heimischen Gletschern eine gute Grundlage fehlte, um den Sommer einigermaßen unbeschadet zu überstehen. Auch im Frühjahr gab es kaum starke Schneefälle, nach den heißen Tagen im Juni waren die Gletscher der Sonne über Wochen hinweg mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert. Somit kündigt sich einer der stärksten Rückgänge des heimischen Eises überhaupt an, die endgültige Bilanz wird im Herbst gezogen.

37 Hitzetage

Die meisten Hitzetage gab es in Ferlach in Kärnten mit 37, hier wurde also an fast jedem zweiten Tag des Sommers mehr als 30 Grad gemessen. Auch bei den meisten Sommertagen liegt Ferlach in Führung, 70 Mal hatte es mehr als 25 Grad, bei 78 Tagen seit 1. Juni. Selbiges trifft auf St. Andrä im Lavanttal zu, wo am Freitag bei einem Unwetter zwei Kinder von einem Baum erschlagen wurden. Fünf Hitzewellen wurden in Österreich bisher registriert – definiert als eine Periode mit drei oder mehr Tagen in Folge mit mindestens 30 Grad. In Wiens Innenstadt sanken die Temperaturen nachts 22 Mal nicht unter 20 Grad, bekannt als Tropennacht. Die höchste Temperatur wurde in Seibersdorf gemessen: mit 38,7 Grad am 5. August.

„Der Sommer 2022 wird somit als einer der wärmsten der Messgeschichte Österreichs eingehen“, sagt Brandes. „In Zeiten der Klimaänderung wurden und werden zu kühle Sommer im Vergleich zum langjährigen Mittel zur absoluten Rarität.“ Zur Einordnung: Den letzten leicht zu kühlen Sommer gab es 2005, das war vor 17 Jahren. Seither fiel jeder Sommer zu warm aus. „Auch in Zukunft wird es also mit sehr großer Wahrscheinlichkeit fast nur mehr Sommer geben, die zu warm sind.“

Sommer noch nicht vorbei

Endgültig vorbei ist es mit Hitze und Trockenheit noch nicht. „Für kommende Woche sehen unsere Modelle ein zunehmend kräftiges Hoch, das uns wohl bis zum Monatsende mit ruhigem Sommerwetter versorgen wird“, sagt Brandes. „Die Temperaturen steigen im Lauf der nächsten Tage wieder auf oder gar über die 30-Grad-Marke.“ Die sechste Hitzewelle sei damit sehr wahrscheinlich.

Was den September angeht, können aber keine verlässlichen Vorhersagen getroffen werden. Grundsätzlich reichen seriöse Prognosen rund sieben Tage in die Zukunft.


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