In seiner 77. Ausgabe will das Europäische Forum Alpbach kein Branchentreffen mehr sein. Präsident Andreas Treichl erklärt, wieso.
Alexander Van der Bellen fehlte notgedrungen. Am Sonntag war der Bundespräsident bei einer Wanderung verunfallt – und musste am Montag bei der Eröffnung des Forum Alpbach passen.
Immerhin war der Ausrutscher am Kaunergrat in den Ötztaler Alpen glimpflich ausgegangen, Van der Bellen hatte sich Abschürfungen und eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen. Nach einer – routinemäßigen – Nacht im Krankenhaus wurde er am Montagvormittag entlassen. Es gehe ihm gut, er werde sich aber auf Anraten der Ärzte in den nächsten Tagen schonen, erklärte seine Sprecherin.
So war Bundeskanzler Karl Nehammer Österreichs höchster Repräsentant im Tiroler Bergdorf. Offiziell eröffnet wurde das Forum von Präsident Andreas Treichl, auch die moldauische Präsidentin Maia Sandu gab ein Opening-Statement ab, geht es doch in dem kommenden zwei Wochen um „New Europe“, ein neues Europa. Kanzler Nehammer sprach mit Lubomila Jordanova, Gründerin des Berliner Green Tech-Start-ups Plan A, gefolgt von einem Talk mit Othmar Karas, Erstem Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, und Shalini Randeria, Präsidentin und Rektorin der Central European University.
Radikal neue Struktur
Es war, nach dem Tirol-Tag am Sonntag, der Auftakt zu zwei Forumswochen, die radikal anders werden dürften, als bisherige Besucher sie kannten. Vor allem ist Alpbach kein Branchentreffen mehr, die Unterteilung etwa in Rechts-, Gesundheits- oder Politikgespräche ist passé (Ausnahme sind die vom Austrian Institute of Technology gesponserten und mitorganisierten Technologiegespräche).
Nicht mehr an klar definierten Tagen die immer gleichen Kollegen treffen zu können – „das schmerzt vielleicht ein paar Leute“, gesteht Forumspräsident Andreas Treichl dazu im „Presse“-Podcast ein. Allerdings sei Alpbach einst auch nicht als Branchentreffen gegründet worden – sondern „um die Jugend mit den besten Leuten aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammen zu bringen, um über Europa und die Zukunft Europas zu reden.“ Man glaube fest daran, „dass wir einen Diskurs ermöglichen müssen zwischen der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft, den Medien, der Kunst, und dass wir die junge Generation als gleichberechtigten Diskussionspartner in Alpbach mit einbringen müssen.“
Gerade anhand des Überfalls der Russen auf die Ukraine oder der Covid-Krise sei klar zu sehen, dass Probleme nicht von einzelnen Teilbereichen allein gelöst werden könnten. Weshalb man sich in der neuen Struktur nun anhand von Themenblöcken den „vier brennendsten Problemen“ Europas und der Welt widmen werde: Dem Klima und der Zukunft des Planeten, der Sicherheit, der Finanzierung unserer Zukunft und der Demokratie. „Jeder“, so Treichl, „kann sich aussuchen, was sie oder ihn mehr interessiert.“
Weniger Trittbrettfahrer
Tickets und Hotels seien jedenfalls gut gebucht, auch wenn traditionelle Side-Events (Fischessen der Casinos, die Weinverkostung von Wolfgang Rosam, die Almparty der Wien Holding) in diesem Jahr großteils wegfallen. So, hofft Treichl, könnte es auch weniger „Trittbrettfahrer“ geben. „Es gibt auch viele, wo mein Unglück darüber, dass sie nicht mehr nach Alpbach kommen, extrem überschaubar ist.“ Die neue Struktur betrifft auch die rund 600 Stipendiaten: Deren Seminare finden nun nicht mehr im Vorfeld statt, sondern laufen während der zwei Wochen jeweils parallel am Vormittag; am Nachmittag hätten die Jungen Zeit, um bei allen Veranstaltungen mit dabei zu sein. Es gehe darum, junge Menschen, „egal ob links, rechts oder grün“, hinter den großen Themen zu vereinen.
Einer, der schon als 14-Jähriger mit dabei war, ist der im März verstorbene Erhard Busek. Einige Veranstaltungen werden des langjährigen Forumspräsidenten gedenken. So wird zum Beispiel Matthias Strolz seine Erinnerungen an Busek teilen. Er hätte die Rolle als dessen Nach-Nachfolger nicht übernommen, wenn Busek ihm nicht zugeredet hätte, so Treichl. Das Vorjahr – sein erstes – sei ein schwieriges gewesen, aber Busek habe ihn noch heuer bestärkt, sich nicht beirren zu lassen. „Auch wenn die Leute keppeln.“
Auf einen Blick
Das Europäische Forum Alpbach findet unter dem Titel „New Europe“ bis 2. September statt. Teilnehmen werden u. a. EU-Kommissionsvize Josep Borrell, die Außenminister der Slowakei, Tschechiens und Sloweniens, der albanische Premier Edi Rama, Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglit, sechs europäische Notenbankchefs sowie Experten aus diversen Bereichen.
Walk & Talk. Die „Presse“ lädt am 24. August zur Wanderung samt Diskussion zum Thema Fachkräftemangel Anmeldung: veranstaltungen@diepresse.com