Am Pult. Die Teilnehmer dirigieren ihre Werke auch selbst.
"Ink still wet"

Wo Jungkomponisten über Noten brüten

Gemeinsames Hinterfragen von Gewohnheiten stand bei dem Jungkomponisten-Workshop „Ink still wet“ in Grafenegg im Fokus.

Die Tinte ist noch nass, also „Ink still wet“: Dieses Motto steht alljährlich beim Grafenegg Festival für einen Workshop, bei dem Jungkomponisten und -komponistinnen von einem erfahrenen Kollegen gecoacht werden und ihr Stück, das sie mit dessen Unterstützung fertigstellen, im September zur Uraufführung mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich bringen. 83 Künstlerinnen und Künstler aus 33 Ländern hatten sich heuer beworben, sechs wurden ausgewählt. Schon im März gab es eine erste Arbeitsphase im Schloss Grafenegg, bei der das „Kulturmagazin“ dabei sein durfte.


„Warum haben Sie hier diese Dynamik­angabe gewählt?“ – „Warum steht dort diese Taktart?“ Georg Friedrich Haas, erfahrener Komponist und Kompositionslehrer, sitzt gemeinsam mit Jose Luis Valdivias Arias über eine Partitur gebeugt. Rasch merkt man, dass es hier im Grunde nicht um ein Lehrer-Schüler-Verhältnis geht, sondern um ein Diskutieren auf gleicher Ebene. Haas möchte zum Nachdenken über das anregen, was der spanische Teilnehmer des Workshops in seinen Noten niedergeschrieben hat. Mal geht er zum Klavier, spielt eine Passage von Mozart vor und sagt: „Mozarts Atout war es, dass er Erwartungen weckte, die er nicht einlöste.“ Mal regt er den jungen Komponisten dazu an, kleine Details zu ändern und die unterschiedliche Wirkung zu erkunden. Prompt zeigt ihm Valdivias Arias, dass er genau diese Variation anderswo sowieso schon eingefügt hatte. „Kleine Änderungen können einen großen Unterschied machen. Sie müssen genau wissen, was Sie wollen“, sagt Haas mit ruhiger Stimme. „Wie Schönberg es hielt: Man muss nicht nur machen, was man kann, sondern das, wozu man sich innerlich gezwungen fühlt.“ Er rät Valdivias Arias, von einer Stelle zwei Fassungen zu schreiben und in den Proben dann beide auszuprobieren. Schließlich wird es auch die Aufgabe der jungen Komponisten und Komponistinnen sein, ihr Stück selbst mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich einzustudieren und beim Konzert am 4. September zu dirigieren.

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