Gastkommentar

Wie man offenen Streit an der EU-Spitze vermeiden könnte

Es gilt, bei den Ursachen der gegenwärtigen Krisen in der Union anzusetzen.

Zum Autor:

Dr. Karl Socher ist em. Professor für Politische Ökonomie der Universität Innsbruck.

Die offene Feindschaft zwischen Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird von Anna Gabriel in ihrer Analyse vom 12. 8. gut aufgedeckt und mit Recht als Beeinträchtigung der Reputation der EU bezeichnet. Als diese Doppelgleisigkeit im Vertrag von Lissabon geschaffen wurde, begründete man die Einführung der Ratspräsidentschaft damit, dass der EU so eine bessere Sichtbarkeit nach außen gegeben werde. Wahrscheinlich aber war diese Doppelspitze deshalb geschaffen worden, weil Frankreich die Möglichkeit vermeiden wollte, dass ein Deutscher allein die Führung der Union repräsentieren könnte.

Um eine offene Konfrontation an der EU-Spitze in Zukunft zu verhindern, wären mehrere Maßnahmen zu diskutieren.
• Die Präsidenten auf die jeweiligen Aufgaben ihrer Institution beschränken: die Präsidentin der Kommission auf die ihr in den Verfassungsverträgen gegebenen Ziele und Kompetenzen; den Ratspräsidenten auf die Aufsicht, Koordination mit den Staats- und Regierungschefs und die Vertretung nach außen. Die Aufgaben überschneiden sich freilich so stark, dass eine Trennung nicht zu erzielen sein wird.
• Die Zusammenlegung der beiden Institutionen – wie von Jean-Claude Juncker vorgeschlagen – würde zwar die offene Feindschaft beseitigen, aber die grundsätzlichen Unterschiede, die zwischen den Mitgliedsländern und der EU bestehen, nicht beseitigen können. Deshalb werden die Spannungen immer größer werden, und die Reputation der EU in der Welt wird weiter sinken.

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