Endspiel um Ungarns EU-Milliarden

Ungarns Regierung gelobt nach langem Widerstand Reformen des Justiz- und Vergabewesens. Ob das genügt, um keine EU-Mittel zu verlieren, ist fraglich.

Bekommt Ungarn doch noch seine seit mehr als einem Jahr blockierten Milliarden aus dem Corona-Wiederaufbaufonds der EU? Und vermeidet Ungarns Regierung die Blamage, als erster Mitgliedstaat kraft des neuen Konditionalitätsmechanismus zur Abwehr des Missbrauchs von EU-Förderungen um seinen Anteil am Kuchen aus dem Unionsbudget umzufallen? Diese beiden Fragen werden in den kommenden Wochen beantwortet werden. Auf dem Spiel stehen Wohl und Wehe der ungarischen Volkswirtschaft, die laut Prognose der Europäischen Kommission heuer eine Inflationsrate von 11,8 Prozent aufweisen wird, während der Forint seit Monaten den stärksten Wertverlust aller Währungen in Mittel- und Osteuropa erleidet. Ohne die Milliarden aus Brüssel wird Ungarn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in eine noch schwerere Rezession stürzen, als dies Europa insgesamt ohnehin schon droht.

Schwere Korruption in Orbánland

Am Montag erhielt die Europäische Kommission die lang verzögerte schriftliche Antwort der ungarischen Regierung auf ihren Forderungskatalog in Sachen Rechtsstaatlichkeit. Zur Erinnerung: Seit Anfang dieses Jahres ist der sogenannte Konditionalitätsmechanismus in Kraft, welcher es der Kommission erstmals erlaubt, den EU-Finanzministern den Stopp der Auszahlung von Mitteln aus dem Unionsbudget an ein Mitgliedsland zu empfehlen, falls dort die rechtsstaatliche Kontrolle des korrekten Umgangs mit diesen Mitteln nicht gewährleistet ist. Das ist nach Ansicht der Kommission in Ungarn der Fall, es gebe schwere systemische Korruption bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen (die großteils mit EU-Mitteln bezahlt werden), wovon, wie mehrfach berichtet, Freunde, Gefolgsleute und vor allem der Schwiegersohn von Ministerpräsident Viktor Orbán seit Jahren profitieren.
Darum hat die Kommission erstmals das Verfahren nach diesem Konditionalitätsmechanismus eingeleitet. Im äußersten Fall läuft Ungarn Gefahr, keinen Zugriff auf seinen Anteil von rund 21,7 Milliarden Euro am Haushaltsrahmen der Jahre 2021 bis 2027 mehr zu bekommen. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass die Kommission vorschlagen würde, diesen gesamten Betrag zu blockieren. Doch selbst ein Teil davon wäre ein Alarmsignal für internationale Investoren, die ohnehin bereits vermehrt Kapital aus Ungarn abziehen (was auch den Absturz des Forint zu erklären hilft).

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