Tempolimit

Freiwillig 100 km/h: Ein nervenaufreibender Selbstversuch

Mit Tempo 100 über die Autobahn
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In Deutschland gibt es auf Autobahnen überhaupt keines, in den Niederlanden muss man tagsüber langsamer fahren – in Österreich diskutiert man über ein temporäres Tempolimit von 100 km/h. Man darf freilich auch jetzt schon langsamer fahren, wenn man sich traut . . .

Wien. Irgendwann wird es doch zu nervig. Seit ein paar Kilometern fährt der Lkw aus Polen schon im Meterabstand hinter uns her. Beim Blick in den Rückspiegel sieht man nur einen riesigen Kühlergrill. Also Abfahrt bei der nächsten Raststätte, bevor er vielleicht doch noch über unseren kleinen Skoda Fabia drüberrauscht.

Das ist ein Nebeneffekt, wenn man auf Österreichs Autobahnen 100 km/h fährt: Man wird damit sogar für Lkw, für die eigentlich ein Tempolimit von 80 km/h gilt, zum Verkehrshindernis. Ganz zu schweigen von anderen Autofahrern, die uns – im nettesten Fall – den Vogel zeigten.

In Zeiten der Energiekrise müssten alle Opfer bringen, heißt es in der Diskussion. Das bedeutet also nicht nur, im Winter in der Wohnung einen Pullover zu tragen, sondern auch, auf der Autobahn maximal 100 km/h zu fahren.

Parteien sagen Nein

Zwar erteilt sogar Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne), der man nun wirklich kein Herz für Autofahrer nachsagen kann, der Forderung nach einem niedrigeren gesetzlichen Tempolimit eine Abfuhr (es fehle die Mehrheit, argumentiert die Ministerin). Ebenso wie alle Parlamentsparteien, inklusive der Bundes-SPÖ. Das heißt aber noch nicht, dass die Debatte damit beendet ist. Kärntens Landeshauptmann, Peter Kaiser (SPÖ), findet die Idee gut, der Verkehrsclub Österreich sowieso.

Man könnte natürlich auch auf die Eigenverantwortung der Menschen setzen, weil ja der Fahrer selbst von einer niedrigeren Geschwindigkeit am meisten profitiert. Der Spritverbrauch sinke bei 100 statt 130 km/h um 23 Prozent, hat das Umweltbundesamt (UBA) erhoben. Aber mit der Eigenverantwortung ist das so eine Sache in Österreich.

Für Klima und Umwelt wäre ein Tempolimit jedenfalls gut, meint das UBA. Neben den 23 Prozent weniger CO2-Ausstoß emittiere ein Pkw zudem um fast 50 Prozent weniger Stickoxide. In den Niederlanden darf man zum Schutz des Klimas seit März 2020 auf Autobahnen zwischen sechs und 19 Uhr nur noch 100 km/h fahren statt 130. Und das wird nicht mit mit stationären Radargeräten überwacht, die man leicht ausbremsen kann, sondern mit der gefürchteten Section Control. Zwar fahren jetzt laut einer Studie tagsüber mehr Autofahrer über die Landstraße und somit auch durch Dörfer, aber auf den Autobahnen geht es entspannter zu.

Zwischen Lkw und Bussen

In Österreich dagegen ist ein selbstauferlegtes Tempolimit von 100 km/h alles andere als entspannt, wie das eingangs geschilderte Lkw-Beispiel zeigt. Auch der Fahrer eines Flix-Busses, für den wie für alle Busse eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gilt, war mit unserer Fahrweise wenig zufrieden, wie er uns mit seiner Lichthupe mitteilte.

Auf der dreispurigen Westautobahn ist eine Geschwindigkeit von 100 km/h noch eher zu bewerkstelligen, weil man, so sich ein Lkw-Fahrer an das Tempolimit hält, in der mittleren Spur überholen kann. Deutlich schnellere Autofahrer können dann noch immer auf die dritte Spur ausweichen. Aber auch dann goutieren manche Autofahrer die zurückhaltende Fahrweise nicht. Der Lenker eines Autos aus bayerischer Erzeugung warb beim Überholen auf der ganz linken Spur mit Hupen um unsere Aufmerksamkeit, um uns dann mit der Hand zuzuwinken – freilich nicht mit allen Fingern.

Ist die Autobahn zweispurig, wird's problematischer. Rechts fährt man zwischen Lkw, Bussen und private rumänischen Autotransportern. Muss man überholen, dann sind 100 km/h auf der linken Spur der Garant für knappes Auffahren, Licht- und Handzeichen.

Der Lohn für den nervenaufreibenden Test und die Übung in Gelassenheit: ein Verbrauch des 1,5-Liter-Benzinmotors unseres Skoda Fabia von 4,3 Litern auf 100 Kilometer. Der WLTP-Normverbrauch sind 5,6 bis 6,7 Liter.

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