Randerscheinung

Ferienlangeweile als Entwicklungskatalysator

Carolina Frank
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Dem Jüngsten, der mit zunehmend abnehmender Präsenz seiner älteren Brüder zu Hause immer mehr zum Einzelkind wird, ist im Hier und Jetzt sehr oft langweilig.

Die erste Kolumne nach der Sommerpause (willkommen zurück!) ist ja immer ein bisschen schwierig für mich. Erstens muss der Schreibrost weg, der sich in den vergangenen Wochen angesetzt hat. Zweitens setzt der Wiedereinstieg hier dem Sommer irgendwie ein Ende, was (auch wenn die Schulferien je nach Bundesland noch ein oder zwei Wochen dauern) per se traurig ist. Und drittens muss ich mich entscheiden, ob ich noch über den Sommer oder schon über den Herbst nachdenken will, also in der Vergangenheit schwelgen oder in die Zukunft schweifen.

Ich entscheide mich für die dritte Variante, das Hier und Jetzt. Da ist dem Jüngsten, der mit zunehmend abnehmender Präsenz seiner älteren Brüder zu Hause immer mehr zum Einzelkind wird, sehr oft langweilig – oder genauer: fad, auf diese patzige, für alle sichtbare Art. Jetzt bin ich ja an und für sich ein großer Anhänger der Ferienlangeweile als Entwicklungskatalysator für Kinder und Jugendliche, allerdings will ich wirklich nicht dabei zuschauen ­müssen. Gibt es kein besonderes Programm mit Freunden oder der Familie, beginnt unser heuriges Sommerferienspiel: Der Jüngste langweilt sich so lang demonstrativ vor unseren Augen (immer mit Noise-Cancelling-Kopfhörern über den Ohren und einem Basketball in den Händen, der vor ihm auf den Boden prellt), bis wir zermürbt sind und er einen Bildschirm aktivieren darf.

Ich wollte in den Sommerferien als Schüler übrigens auch am helllichten Tag drinnen fernsehen und durfte das nicht. Die beiden Älteren sind derweil in Palermo, Amsterdam oder Wels. Ich stelle mir zu Hause vor, was man dort so macht. Dem Hund ist heiß. Er langweilt sich auch ziemlich unverschämt, aber auf eine Art, die mich beruhigt. Er hat allerdings auch noch kein Handy.

("Die Presse Schaufenster" vom 26.08.2022)

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