Gastkommentar

Der republikanische Gott, der keiner ist

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In der Grand Old Party gibt es weiter viel Zuspruch für Donald Trump und seine Große Lüge von der 2020 gestohlenen Präsidentschaft. In der Trump-Welt gibt es auch für alte konservative Dynastien keinen Platz mehr.

Die Autorin

Nina L. Chruschtschowa (* 1964) studierte an der Moskauer Staatsuniversität und in Princeton. Sie ist Urenkelin des früheren Sowjetführers Nikita Chruschtschow. Derzeit ist sie Professorin an der New School. Zuletzt erschien mit Jeffrey Tayler „In Putin's Footsteps: Searching for the Soul of an Empire Across Russia's Eleven Time Zones“ (2019).

Fünf der größten lebenden Schriftsteller der Welt – André Gide, Richard Wright, Ignazio Silone, Stephen Spender und Arthur Koestler – sowie der amerikanische Auslandskorrespondent Louis Fischer trugen 1949 Essays zu einer Sammlung mit dem Titel „The God That Failed“ („Ein Gott, der keiner war“) bei, in denen sie ihren Weg zum und ihre Abkehr vom Kommunismus reflektierten.

Liz Cheney – eine prominente republikanische Kritikerinnen von Donald Trump, die in den Vorwahlen ihrer Partei gerade eine krachende Niederlage erlitten und somit keine Möglichkeit mehr hat, ihren Sitz im US-Repräsentantenhaus im November zu verteidigen – kann möglicherweise Parallelen entdecken.

Blütezeit der Desillusionierung

Das 20. Jahrhundert war die Hochphase des ideologischen Engagements und der politischen Desillusionierung. Die kommunistische Sache schien vielen Menschen, vor allem literarischen Intellektuellen, ein Weg zu persönlicher Erfüllung und sozialer Gerechtigkeit, ja sogar eine Art Erlösung zu sein. Als Gide, Koestler und die anderen ihre Desillusionierung zu Papier brachten, lag dieser Glaube endgültig hinter ihnen. Aber sie wussten, dass der Bann des Kommunismus für viele noch nicht gebrochen war.

Es bedurfte erst der sowjetischen Unterdrückung des ungarischen Volksaufstandes von 1956, um den neunmalklugen Jean-Paul Sartre zu veranlassen, seine Überzeugung in Frage zu stellen, dass die Sowjetunion wegweisend für die Zukunft der Menschheit sein würde. George Bernard Shaw, mit seinem Faible für schockierende Aussagen, hat niemals Zweifel am sowjetischen Experiment geäußert, egal wie viele Tote es gab.

Shaws Loyalität war so unerschütterlich, dass meine Urgroßmutter Nina, zeitlebens Bolschewikin, davon Kenntnis nahm. Bei der Arbeit an einer Biografie über Nikita Chruschtschow, meinen Urgroßvater, erfuhr ich, dass Nina, nachdem sie Shaw 1931 in Moskau kennengelernt hatte, sich unsterblich in ihn verliebt hatte. Shaw, so betonte sie, war den meisten Westlern und vielen Sowjets überlegen, weil er seine revolutionären Überzeugungen nie verriet.

Für diejenigen, die einen solchen „Verrat“ begingen, war eines so gut wie sicher: Sie würden den Glauben an den Kommunismus ebenso entschieden ablehnen wie sie ihn angenommen hatten. So inbrünstig sie ihren säkularen Gott auch verehrt hatten, sie würden noch inbrünstiger daran arbeiten, der Gefahr entgegenzutreten, die er für die Welt darstellte.

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