Der Großvater des Autors, dem die Figur des Hans nachempfunden ist.
Neuer Roman

Wie es ist, Verlierer zu sein

Ich war einer von ihnen. Einer dieser heimkehrenden Soldaten, die in der farblos gewordenen Stadt umherirrten. Gleich am zweiten Tag in Wien verabredete ich mich mit Hans in der Innenstadt. Auszug aus dem Roman „Zwischen Brüdern".

Der Mantel war wunderschön. Mein Bruder Hans hatte ihn mir geschenkt, gleich am ersten Abend in Wien im Winter 1919/1920. Es war kein neuer Mantel, aber er war kaum gebraucht. Die Oberfläche aus weicher Wolle war gebürstet, alle Fasern zeigten in eine Richtung. Der Schnitt war modern mit einem großen Kragen, großen Taschen und polierten Hornknöpfen. Immer wieder strich ich mit der Handfläche darüber. Schon lange hatte ich keinen so feinen Stoff unter meinen Fingern gespürt. Es gab weder abgewetzte Stellen noch Löcher von Motten oder sonstigem Getier wie bei dem groben Janker, den ich nach meiner Ankunft in Klagenfurt vom Roten Kreuz erhalten hatte. Nur innen im Futter war ein kleiner Riss, den ich, sobald ich Nadel und Faden auftreiben würde, stopfen wollte. Hans hatte mir das edle Kleidungsstück einfach überlassen. Er meinte, ich müsse in dieser Stadt gut aussehen – gerade jetzt. Und dieser Winter sei kalt. Woher er den Mantel hatte, weiß ich nicht.

Mein kleiner Bruder: Ich war so froh, ihn wiederzusehen. Er wirkte älter, aber noch immer so unbeschwert, heiter und redegewandt wie damals in Olmütz. Als ich ihn das letzte Mal in unserer Heimatstadt getroffen hatte, hatte er sich in einer Gürtlerlehre abgemüht. Der alte Ladtstätter, sein Chef, hatte ihn harsch hergenommen. Aber Hans lachte dennoch, scherzte und unterhielt unsere ganze Familie. Kurz später schrieb er sich in Brünn in die Staatsgewerbeschule ein. In einem seiner wenigen Briefe an die Front erzählte er mir, dass er dort mehr als nur Herstellungsmethoden lerne. Auch das Entwerfen von Schmuck und schönen Gebrauchsgegenständen wie Lampen, Tassen und Besteck werde unterrichtet. „Das liegt mir viel mehr“, schrieb er. Während Hans die Schule rascher als in der vorgesehenen Zeit abschloss, war ich in italienischer Kriegsgefangenschaft.

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