Wort der Woche

Schmutzstoffe als Ressource

Bisher wollte man Schmutzstoffe aus dem Abwasser möglichst vollständig loswerden. Im Sinn einer Kreislaufwirtschaft könnten diese künftig aber als Ressource genützt werden.

Die Abwasserbehandlung in Kläranlagen ist eine „lineare“ Technologie: Sie ist darauf ausgerichtet, am Ende von Prozessen („end of pipe“) Schäden zu verhindern. Das ist ein anderer Zugang als das nun in den Fokus rückende Denken in Kreisläufen: In einer „zirkulären“ Wirtschaft sollen möglichst alle Wertstoffe in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden. Unter diesem neuen Paradigma sollten die Schmutzstoffe im Abwasser, die man bisher möglichst vollständig loswerden wollte, als Rohstoffe begriffen werden, die es zu nutzen gilt.

Wie Abwasser zu einem „Ressourcen-Hub“ wird, hat sich kürzlich die EU-Umweltagentur (www.eea.europa.eu) angesehen. Ein Aspekt ist die Nutzung von geklärtem Abwasser als Brauchwasser z. B. für die Bewässerung, was in Zeiten vermehrter Dürren immer wichtiger wird. Eine andere Stoßrichtung ist die Rückgewinnung von Stickstoff und Phosphor – Phosphatdünger gilt als kritischer Rohstoff. Die Verwertung von Klärschlamm hingegen ist problematisch: In ihm sammeln sich Schadstoffe wie etwa Chemikalien (u. a. Medikamentenrückstände), Schwermetalle oder Mikroplastikpartikel an, die die herkömmliche Verwertung als Dünger oder Kompost erschweren bzw. verhindern. Möglich ist jedenfalls die Energiegewinnung aus Abwasser, sei es durch die Produktion von Biogas aus Klärschlamm, sei es durch die Nutzung der Restwärme des Abwassers mithilfe von Wärmetauschern oder der Strömungsenergie im Kanalsystem.

Noch wesentlich weiter geht eine indische Forschergruppe um Debajyoti Kundu, die Kläranlagen als Bioraffinerien ansieht (Science of the Total Environment, 29. 7.): Im Abwasser kultivierte Algen könnten demnach der Herstellung hochwertiger Proteine und Fette dienen, mikrobielle Brennstoffzellen könnten aus der Oxidation der organischen Substanzen im Abwasser Elektrizität produzieren, bestimmte Mikroorganismen könnten daraus auch Wasserstoff machen. Gearbeitet wird überdies an Verfahren zur Gewinnung von Metallen aus dem Abwasser, zur Herstellung von Bioplastik (durch mehrstufige Bioprozesse) oder zur Nutzung von verbranntem Klärschlamm als Baumaterial.

Für viele dieser Verwertungswege gibt es bereits technische Lösungen. Als hinderlich werden indes fehlendes Bewusstsein und Wissen über die Möglichkeiten sowie die derzeit höheren Kosten angesehen. Abhilfe könnten da gezielte Maßnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft schaffen – wie sie derzeit in der EU geplant sind.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

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