Salzburger Festspiele

Petrenko, seine Berliner und Mahlers Skurrilität

„Digital Concert Hall“ ließ hören, was die Salzburger Festspiele heute bieten: Einen bemerkenswerten Versuch, die Rätsel der Siebenten Symphonie zu lösen.

Gustav Mahlers Symphonik, einst belächelt, hat in den vergangenen Jahrzehnten einen unvergleichlichen Siegeszug angetreten. Die Erste oder die Fünfte sind heutzutage so oft zu hören wie einst Beethovens „Eroica“. Nur ein Werk blieb bis dato ein Ladenhüter: Die Siebente gilt als Mahlers „rätselhafteste“, obwohl oder vielleicht gerade weil sie mit einem C-Dur-Finale schließt, das die optimistischsten Apotheosen zwischen Mozarts „Jupiter-Symphonie“ und Wagners „Meistersingern“ megalomanisch miteinander zu multiplizieren scheint.

Was tun, wenn Mahler jubelt? Dieser Jubelorkan wirkt selbst auf geeichte Mahlerianer unglaubwürdig, nicht zuletzt, weil die vorangehenden Sätze des Werks der nächtlichen Sphäre angehören und vor allem im zentralen Scherzo, das ausdrücklich „schattenhaft“ klingen soll, alptraumartige Visionen beschworen werden. Die beiden umgebenden Sätze heißen „Nachtmusik“ und haben mit Mozarts gleichnamiger „kleinen“ Serenade wenig zu tun, denn auch dort spuken sinistre Gestalten, deren Ursprung wohl in Mahlers Jean-Paul- und E.-T.-A.-Hoffmann-Lektüre liegen dürfte.

So scheint es zumindest auf den ersten Blick, und regelmäßig scheitern auch hochmögende Mahler-Interpreten daran. Mahler hat die scheinbar so disparat nebeneinander liegenden Teile in den Sommermonaten der Jahre 1904 und 1905 ins Formschema einer fünfsätzigen Symphonie gezwungen. Nun gab es in jüngster Zeit zwei Versuche, die Partitur neu zu lesen, die aufhorchen ließen. Da war zuerst Daniel Barenboim mit einer vom großflächigen Makart-Malstil des Finalsatzes ausgehenden, sinnlich farbenreichen Deutung, die aus der mutmaßlichen kompositorischen Willkür mit kundiger Kuratorenhand eine schlüssige Ausstellung üppiger musikalischer Bilderfolgen arrangierte. Und Kirill Petrenko gelang in seiner Zeit als Münchner Generalmusikdirektor eine CD-Einspielung der Siebenten mit dem Bayerischen Staatsorchester, die international sogleich als Meilenstein gefeiert wurde.

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