Stromgeschäft

Wien Energie benötigt sechs Milliarden Euro vom Bund

Wien Energie in Finanznöten.
Wien Energie in Finanznöten.(c) APA
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Laut Finanzministerium ist die benötigte Summe höher als bisher bekannt. Die Wiener Oppositionsparteien ÖVP und Grüne fordern Aufklärung. Die Stadt habe bereits mit Milliardenbeträgen ausgeholfen, allerdings ohne die Opposition zu informieren.

Nachdem bekannt wurde, dass die Stadt Wien wegen  Liquiditätsprobleme der Wiener Energie bei der Bundesregierung angeklopft hat, treten neue Details zutage. So benötigt die Stadt vom Bund für ihren Energielieferanten sechs Milliarden Euro.

Wie das Finanzministerium am Montagnachmittag in einer Aussendung bekannt gab, habe Finanzstadtrat Hanke in einem Brief den „akuten Finanzierungsbedarf der Stadt zur Weiterreichung an die Wiener Stadtwerke GmbH bzw die Wien Energie Gmbh" mit sechs Milliarden Euro beziffert.

Finanzminister Magnus Brunner hatte zunächst von 1,75 Milliarden gesprochen. Diese Summe für die „Besicherung von künftigen Lieferverträgen“ könnte noch von der Stadt Wien aufgebracht werden, so das Finanzministerium. Für weitere „erwartete Finanzierungserfordernisse“ bedürfe die Stadt Wien jedoch der Hilfe der Bundesregierung. Und der Bund wiederum habe „die Instrumente und den Willen, der Stadt Wien in dieser finanziellen Notlage zu helfen“, hielt das Finanzministerium fest.

Hanke: Bitte um „Schutzschirm"

Der Eigentümervertreter der Wien Energie, Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ), meldete sich am Montagnachmittag erstmals zu Wort. Man habe den Bund gebeten, einen "Schutzschirm" für die heimischen Versorger zu erstellen, da derzeit an der Börse "Mondpreise" für Strom verlangt würden, sagte er. Die Wien Energie sei besonders betroffen, da die Eigenproduktion geringer sei.

Er bekräftigte jedoch, dass es sich um ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen handle, das auch keine Verluste schreibe. Die Stadt habe zuletzt bereits selbst Garantien bereitgestellt, also über jene hinaus, die vom Unternehmen üblicherweise selbst aufgebracht würden. "Das sind keine verlorenen Summen", beteuerte Hanke. Vielmehr würden diese nach Abschluss des Geschäftes wieder zurückfließen.

Nun ersuche man aber auch den Bund, hier aktiv zu werden. Wie hoch ein solcher Schutzschirm ausfallen müsse, sei schwer zu sagen, da sich die Preise täglich ändern würden, betonte er. Das Schutznetz könne auch bis zu 10 Milliarden Euro betragen. Der Wiener Finanzstadtrat vermutet nämlich, dass auch andere Energieunternehmen möglicherweise noch weiter Garantielinien brauchen werden.

„Wo ist Ludwig? Wo ist Hanke?"

Die Wiener Oppositionsparteien forderten Aufklärung. Sowohl die Wiener ÖVP als auch die Grünen beriefen bereits am Montagvormittag spontane Pressekonferenzen ein. Ihrer Meinung nach der Kern des Problems: mangelnde Kontrolle über das stadteigene Unternehmen Wien Energie.

Denn die Wien Energie unterliege als Tochterunternehmen der Wiener Stadtwerke nicht den Kontrollrechten des Gemeinderats, kritisierte der Wiener ÖVP-Klubobmann Markus Wölbitsch. Empörend sei, aus den Medien erfahren zu müssen, dass die Stadt Wien bereits einige Garantien für die Wien Energie abgegeben habe, damit diese weiter an den Strombörsen handeln kann. Wölbitsch forderte von der Wiener Regierung sämtliche „Zahlen, Daten und Fakten“ zu der Causa.

ÖVP-Finanzsprecher Manfred Juraczka kritisierte den zuständigen Finanzstadtrat Peter Hanke scharf, der bei dem am Sonntag einberufenen Energiegipfel nicht im Kanzleramt erschienen sei und offenbar auch keinen Vertreter geschickt habe. „Wo ist Bürgermeister Ludwig? Wo ist Stadtrat Hanke?“

Das Fehlen von Hanke bei dem Gipfel im Bundeskanzleramt sorgte auch bei den Wiener Grünen für Empörung, die „fehlendes Krisenmanagement“ orteten. Wenn der Bund in letzter Minute einspringen muss, „dürfte man schon erwarten, dass man die Sonntagsruhe brechen kann“, sagte der Wiener Grünen-Chef Peter Kraus in Richtung Hanke.

Wie das Finanzministerium festhielt, waren bei dem Krisengipfel zumindest Beamte der Stadt Wien zugegen - neben Vertretern der Bundesregierung, der Wien Energie und Energieexperten. Am Montag „laufen die Gespräche zwischen Bund und Wien weiter. Es gibt viele offene Fragen“, hieß es.

Misstrauensantrag gegen Wiener Regierung?

Sowohl für die ÖVP als auch die Grünen sei die Stabilisierung des Unternehmens und die Versorgungssicherheit für die zwei Millionen Kunden der Wien Energie zu priorisieren. Und letztere sei dank des Einspringens der Bundesregierung auch gegeben. Danach seien aber die Fragen der politischen Verantwortung zu klären, wie es überhaupt so weit kommen konnte, sagte Wölbitsch. Sollte es zu „Missmanagement“ gekommen sein, werde man in Erwägung ziehen, der Wiener Stadtregierung das Vertrauen zu entziehen.

Einen Misstrauensantrag gegenüber Hanke oder auch andere Wiener Regierungsmitglieder schloss auch Kraus nicht aus. Man werde „alle parlamentarischen Mittel“ nutzen, um für Transparenz zu sorgen.

Grüne: Stadt half bereits dreimal

Kraus sprach von „Vertuschung“ durch die Wiener SPÖ, die das „Problem verschleppt“ habe. Denn bei der Stadt Wien wisse man offenbar schon länger von den Liquiditätsproblemen der Wien Energie. So habe die Stadt schon mindestens dreimal „mit hohen Millionenbeträgen ausgeholfen“, sagte Kraus. Und dies sei passiert, ohne jemals den Gemeinderat und die Opposition darüber zu informieren. In Summe soll es sich laut Grünen dabei um insgesamt zwei Milliarden Euro gehandelt haben. Ob dabei die ursprünglich genannten 1,75 gemeint sind, oder zusätzliche Summen, ist derzeit unklar.

Genauso wie die ÖVP stellten die Grünen auch die Unternehmensstrategie und die Einkaufspolitik der Wien Energie infrage. Man müsse sich schon fragen, warum andere Anbieter in Österreich „bei weitem nicht so hohe“ Kostenerhöhungen einfordern wie die Wien Energie. Dass die Wien Energie zu hundert Prozent im Eigentum der Stadt ist, kritisierte die ÖVP. Für die Grünen sei die Eigentumsstruktur jedoch nicht das Problem, sondern die mangelnde Kontrolle.

FPÖ will Sondersitzung im Nationalrat

Auch der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp forderte eine „sofortige Erklärung" von SPÖ-Bürgermeister Ludwig. „Wir haben das Recht zu erfahren, seit wann die rot-pinke Stadtregierung von den Liquiditätsproblemen und der drohenden Milliardenpleite des städtischen Unternehmens gewusst hat. Es ist wenig vorstellbar, dass eine derartige Finanznot über Nacht auftaucht. 

FPÖ-Obmann Herbert Kickl verlangte am Montag zudem eine Sondersitzung des Nationalrates zu den finanziellen Turbulenzen der Wien Energie. Für eine Einberufung einer Sondersitzung ist während der derzeitigen Sommerpause ein Drittel der Abgeordneten nötig. Da die FPÖ darüber nicht verfügt, appellierte Kickl an die anderen Fraktionen, den Antrag zu unterstützen.

Zudem verlangte er eine lückenlose Aufklärung und einen Statusbericht zu allen heimischen marktrelevanten Energieversorgern. "Die rote Wien Energie hat sich am Energiemarkt offensichtlich im großen Stil verzockt und verspekuliert - und das mit Steuergeld", meinte der FPÖ-Obmann. Nun stelle sich die Frage, wie es bei den anderen Energieversorgern aussieht, sagte Kickl. Nach Aussage des Finanzministers Magnus Brunner sei es bei anderen Anbietern noch zu keiner ähnlichen Situation gekommen.

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