EU-Rat in Prag

EU-Staaten wollen Militärausbildung von Ukrainern koordinieren

Die tschechische Verteidigunsministerin Jana Cernochova begrüßt den EU-Außenbeauftragen Josep Borrell vor dem Treffen der EU-Verteidigungsminister in Prag.
Die tschechische Verteidigunsministerin Jana Cernochova begrüßt den EU-Außenbeauftragen Josep Borrell vor dem Treffen der EU-Verteidigungsminister in Prag.APA/AFP/MICHAL CIZEK
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Österreichs Verteidigungsministerin will keine Soldaten für eine etwaige Trainingsmission in die Ukraine schicken. Die EU-Staaten bräuchten für eine solche Mission einen einstimmigen Beschluss. Die Visa-Regeln für Russen dürfte vorerst nur etwas verschärft werden.

Die EU-Staaten wollen nach Angaben ihres Außenbeauftragten Josep Borrell die Voraussetzungen für eine gemeinsame militärische Ausbildungsmission für die Ukraine prüfen. Borrell sagte am Dienstag nach informellen Beratungen der EU-Verteidigungsminister in Prag, die 27 Mitgliedsländer hätten grundsätzlich zugestimmt, die "Parameter für eine EU-Militärmission für die Ukraine festzulegen".

Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow übermittelte nach Borrells Worten per Videokonferenz eine Liste konkreter Ausbildungswünsche an die EU-Staaten. Die EU müsse darauf "schnell und ambitioniert reagieren", forderte Borrell. "Es wäre besser, die Fähigkeiten der Mitgliedstaaten zu bündeln", sagte der Spanier. Als Beispiel nannte er den Schutz gegen ABC-Waffen.

Bisher bilaterale Abkommen

Bisher unterstützen die EU-Staaten die Ukraine bilateral im Kampf gegen Russland. Die Bundeswehr etwa bildet in Deutschland ukrainische Soldaten in Luftverteidigung und Artillerie aus. Länder wie Österreich und Luxemburg hatten am Rande des Treffens Zweifel am Mehrwert einer gemeinsamen EU-Mission geäußert. Ein Beschluss würde Einstimmigkeit erfordern.

Weniger konkret äußerte sich die tschechische Verteidigungsministerin Jana Cernochova. Sie sagte als amtierende EU-Ratsvorsitzende, die Mitgliedsländer wollten "mehr Ausbildung und Ausrüstung" für die Ukraine zur Verfügung stellen. Sie verwies unter anderem auf die 15 Panzer, die Deutschland Tschechien im Rahmen eines Ringtauschs zur Verfügung stellen will.

Einstimmigkeit notwendig

Borrell hatte am Vormittag mit grünem Licht für ein militärisches Ausbildungsprogramm der Europäischen Union für die Ukraine gerechnet, wie er vor Beginn des Treffens sagte. Auch die tschechische Verteidigungsministerin Jana Cernochova warb für eine stärkere militärische Unterstützung der Ukraine. "Es ist klar, dass es eine stärkere Koordinierung der Maßnahmen der Ausbildung, aber auch der Unterstützung allgemein braucht", sagte die deutsche Verteidigungsstaatssekretärin Siemtje Möller. Positiv zu einer EU-Ausbildungsmission äußerten sich zudem die Minister der Slowakei, der Niederlande und Finnlands.

Der luxemburgische Verteidigungsminister François Bausch warb für Tempo und dafür, der EU im Zweifelsfall nur eine Koordinierungsrolle zu geben. "Wir können jetzt ja nicht monatelang diskutieren, wie wir die Soldaten trainieren sollen", sagte er. "Das muss schnell geschehen. Schnelle Hilfe, effiziente Hilfe, das ist das Wichtigste." Borrells Pläne erfordern Einstimmigkeit bei den EU-Staaten.

Der Vorschlag des deutschen Kanzlers Olaf Scholz, gemeinsam mit europäischen Nachbarn ein neues Luftverteidigungssystem aufzubauen, sei aus "europäischer Sicht zu begrüßen", sagte Österreichs Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP). Österreich sei nicht unter den Ländern, die bis dato angefragt wurden - "das konzentriert sich aus durchaus nachvollziehbaren Gründen" auf Nord- und Ostsee. Außerdem, so die Verteidigungsministerin weiter, habe Österreich "als neutrales Land auch Schranken, weil wir für unseren Luftraum selbst sorgen müssen".

Gemeinsame Beschaffung von Material

Auch Thema der EU-Verteidigungsminister ist die gemeinsame Beschaffung von Militärgütern. Hier pochte Tanner auf Transparenz und warnte vor einem innereuropäischen Kampf. Als positives Beispiel hob sie den gemeinsamen Kauf der Hubschrauber des Typ Leonardo AW-169 mit Italien hervor.

Die EU-Außenminister beginnen ihre Sitzung am Nachmittag zu einer möglichen Visasperre für Russen. Länder wie Polen, Tschechien, die baltischen Staaten oder auch nordische Länder wie Finnland und Dänemark fordern eine Aussetzung der Visavergabe an russische Staatsbürger oder haben die Einreise bereits teilweise beschränkt. Österreich dagegen lehnt ähnlich wie Deutschland und Frankreich generelle Einreisebeschränkungen für Russen ab und hält dies für "kontraproduktiv".

Debatte über Visa-Stopp für Russen

Berlin und Paris legten im Vorfeld des Treffens ein gemeinsames Positionspapier vor. "Wir sollten über kluge Wege nachdenken, um den wichtigen Hebel der Visaerteilung zu nutzen", heißt es in einem an die anderen Mitgliedstaaten verschickten Schreiben zum Außenministertreffen. Anträge russischer Staatsangehöriger sollten auf mögliche Sicherheitsrisiken genau geprüft werden. Gleichzeitig gelte, dass man den Einfluss, der von der unmittelbaren Erfahrung des Lebens in Demokratien ausgehen kann, nicht unterschätzen sollte. Dies beziehe sich insbesondere auf künftige Generationen.

"Unsere Visapolitik sollte dies widerspiegeln und weiterhin in der EU zwischenmenschliche Kontakte zu russischen Staatsangehörigen ermöglichen, die nicht mit der russischen Regierung in Verbindung stehen", heißt es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Man wolle daher einen Rechtsrahmen beibehalten, der insbesondere Studenten, Künstlern, Wissenschaftern, Fachkräften die Einreise in die EU ermögliche - unabhängig davon, ob ihnen politische Verfolgung drohen könnte.

Vor weitreichenden Einschränkungen der Visapolitik warne man. Es gelte zu verhindern, dass das russische Narrativ gefüttert werde und dass es zu einer Entfremdung zukünftiger Generation komme. Zudem könnte es demnach zu sogenannten "Rally around the flag"-Effekten kommen. Darunter wird verstanden, dass Bürger teilweise dazu neigen, sich bei Angriffen und Provokationen von außen geeint hinter ihre Führung zu stellen.

Visa-Erleichterungen könnten zurückgenommen werden

Als wahrscheinlich galt zuletzt, dass in einem ersten Schritt das noch bestehende Abkommen mit Russland zur Erleichterung der Ausstellung von Visa vollständig ausgesetzt wird. Dieser Schritt würde die Kosten und den Aufwand für Antragsteller deutlich erhöhen und er könnte es EU-Staaten erlauben, die Visa-Vergabe für den Schengen-Raum deutlich einzuschränken. Bisher wurde das Abkommen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine offiziell nur für Geschäftsleute, Regierungsvertreter und Diplomaten außer Kraft gesetzt.

Sechs Monate nach dem EU-Afrika-Gipfel wollen die EU-Außenminister bei ihrem bis Mittwoch dauernden informellen Treffen außerdem eine Bestandsaufnahme der Beziehungen durchführen. Der Krieg in der Ukraine hat direkte Folgen für Afrika, viele Staaten sind massiv abhängig von Weizenimporten aus der Ukraine. Russland setzt dabei auf die Narrative, dass die westlichen Sanktionen verantwortlich für die Lebensmittelknappheit seien. Dem will die EU nun gegensteuern.

(APA/dpa/Reuters)

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