Die Strompreis-Explosion deutet auf gravierenden Strommangel im Winter hin. Und die Politik verhindert gleichzeitig die Nutzung bestehender Kapazitäten.
Jetzt sind also auch die Regierungen der EU-Länder – spät, aber doch – aufgewacht und beginnen, die überfällige Entkopplung von Strom- und Gaspreis wenigstens anzudenken. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat ja schon angedeutet, dass sich die Gemeinschaft bald um ein krisenverträgliches Strompreismodell kümmern will.
Wenngleich: In der Zwischenzeit haben wir schon, wie etwa das Liquiditätsdesaster bei der Wien Energie zeigt, ganz andere Probleme. Der Börsen-Strompreis für Lieferungen im kommenden Winter hat die Tausend-Euro-Marke für die Megawattstunde überschritten und ist in Frankreich auf bis zu 1500 Euro hochgeschossen. Vor einem Jahr waren noch 40, 50 Euro pro Megawattstunde die Regel.
1,50 Euro pro Kilowattstunde auf Großhandelsebene ohne Leitungsgebühren und Steuern! Wenn sich das nicht schnell ändert, dann waren die Finanzprobleme von Wien Energie, Uniper und der vor der Rückverstaatlichung stehenden französischen EdF richtige Kindergeburtstage im Vergleich zu den Turbulenzen, in die Versorger dann geraten.
Dann müssen sie nämlich entweder den superteuer eingekauften Strom um einen Bruchteil an ihre Endkunden weiterreichen. Oder von diesen Haushalts- und Industriestrompreise verlangen, die weit jenseits eines Euro für die Kilowattstunde liegen. Langsam versteht man, wieso Militär und Polizei überall, auch in Deutschland und Österreich, neuerdings die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung innerer Unruhen proben.
Diese Preisentwicklung bei den Strom-Futures bedeutet aber auch, dass wir uns auf einen Extremwinter einstellen müssen: Niemand auf dem Markt glaubt offenbar, dass Frankreich die Probleme mit seinen Atomkraftwerken schnell in den Griff bekommt und wieder zum Strom-Großexporteur wird. Und niemand glaubt, dass Deutschland, das im Winter Stromimporte benötigt, daraus die nötigen Konsequenzen zieht.
Wir steuern also sehenden Auges in eine veritable Stromversorgungskrise hinein. Was das für Österreich bedeutet, das sich mit Elektrizität nicht selbst versorgen kann und selbst mitten im Sommer bis zu 40 Prozent seines Bedarfs aus Deutschland und Tschechien importieren muss, kann sich jeder auch weniger Fantasiebegabte wohl lebhaft vorstellen. Da geht es um Dimensionen, die sich mit Deckel auf den Kochtopf und kürzer duschen sicher nicht einfangen lassen.