Eine Wienerin wurde vor dem Bezirksgericht Fünfhaus wegen Ehestörung verurteilt.
Neue Freie Presse am 9. Dezember 1933
Einen neuen Beitrag zu den widersprechenden Entscheidungen über Ehestörungsklagen bildet ein Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus, mit dem sogar das Kochen für verheiratete Männer durch eine ander Frau als die Gattin als Ehestörung bestraft wurde. Vor nicht allzulanger Zeit hatte Frau Katharina, eine Fuhrwerksgattin, die bedingte Strafe der Frau Grete wegen Ehestörung erwirkt. Nun lag dem Bezirksrichter Oberlandesgerichtsrat Hoefner neuerlich eine Klage der Frau Katharina vor, in der sie die Frau Grete beschuldigte, sie habe noch immer mit Eduard, dem Gatten der Klägerin, zu tun.
Vor allem koche sie für ihn, trage ihm das Essen nach und lasse sich dann auf dem Fuhrwerk des verheirateten Mannes nach Hause führen. Wenn sich schon die Ehegattin mit der Verabreichung des Mittagessens durch Frau Grete an ihren Mann abfinden könne, das bis in die späten Abendstunden ausgedehnte Nachtmahl sei sicherlich in höchstem Grade geeignet, den ehelichen Frieden zu stören.
Angeklagte: “Ja, ich koche für den Mann. Drei Schilling täglich gibt er mir und da ich arbeitslos bin, bin ich auf diesen Verdienst angewiesen.” Richter: “Sie lassen sich aber auf seinem Fuhrwerk nach Hause kutschieren.” Angeklagte: “Wenn er weit draußen, zum Beispiel in Grinzing, arbeitet, muß ich ihm das Essen bringen. Dann führt er mich nach Hause, damit ich das Fahrgeld erspare.” Dr. Wachtel: “Weilt der Gatte meiner Klientin nach dem Nachtmahl noch lange bei Ihnen?” Angeklagte: “Er ist so schläfrig von des Tages Arbeit, daß er sehr lange ißt. Er schläft oft beim essen ein und ich muß ihn direkt ermahnen, daß er weiter ißt”. Dr. Wachtel: “Ist er nicht oft die ganze Nacht bei Ihnen?” Angeklagte: “Nie.” Richter: “Sie sprechen sich mit Du an?” Angeklagte: “Ja.” Richter: “Wie kommen Sie dazu?” Angeklagte: “Uns verbindet lediglich ideale Freundschaft.“
Nach Anhörung der Quartiergeberin der Angeklagten und einer zweiten Zeugin sowie des Gatten der Klägerin, der noch zugibt, daß er sich manchmal nach dem Essen durch ein Gesellschaftsspiel mit der Klägerin unterhält, wird Frau Grete zu acht Tagen Arrest, unbedingt, verurteilt. In der Begründung sagte der Richter, daß das Verhalten der Klägerin, wenn sie es selbst auch beschönigend als ideale Freundschaft bezeichnet, den vom Strafgericht zu ahndenden Tatbestand der Ehestörung darstelle.