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Zeitreise

Heute vor 90 Jahren: Japans Austritt aus dem Völkerbund

Japan ist zur Überzeugung gelangt, dass “unversöhnbare Gegensätze über Friedenspolitik und insbesondere über die Grundsätze für die Schaffung eines dauernden Friedens im Fernen Osten bestehen”.

Neue Freie Presse am 28. März 1933

Premierminister Saito wurde vom Kaiser gestern nachmittag ermächtigt, dem Völkerbund den Austritt Japans zu notifzieren. Die diesbezügliche Note, die eine Stunde darauf nach Genf gekabelt wurde, gibt die Ursache für diesen Schritt an: Bei der Suche nach einer Lösung der mandschurischen Frage hat die Mehrheit des Völkerbundes der Aufrechterhaltung unbrauchbarer Formeln mehr Gewicht beigemessen als der wirklichen Aufgabe, den Frieden zu sichern.

Sie hat der Durchführung akademischer Thesen größeren Wert zuerkannt als der Ausmerzung von späteren Konfliktmöglichkeiten. Aus diesen Gründen und wegen der tiefgehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Japan und der Völkerbundmehrheit über die Auslegung des Angriffsstaatsstatuts und anderer Verträge ist die japanische Regierung zur Ueberzeugung gekommen, daß unversöhnbare Gegensätze über Friedenspolitik und insbesondere über die Grundsätze für die Schaffung eines dauernden Friedens im Fernen Osten bestehen.

Die japanische Regierung glaubt deswegen, daß keine Möglichkeit mehr für die weitere Zusammenarbeit gegeben ist und kündigt somit in Uebereinstimmung mit Artikel 1, Paragraph 3 des Völkerbundstatuts seine Absicht an, aus dem Völkerbund auszuscheiden.

Anmerkung: 1931 kam es zum sogenannten Mukden-Zwischenfall, einem Sprengstoffanschlag auf die Südmandschurische Eisenbahn. Heute geht man davon aus, dass dieser von Japan inszeniert wurde. In Folge besetzte Japan die zu China gehörende Mandschurei und errichtete einen Marionettenstaat, um die rohstoffreiche Region auszubeuten. Der Völkerbund untersuchte den Vorfall und setzte eine Kommission unter Leitung des britischen Diplomaten Lord Lytton ein. Als der Bericht der Kommission im Februar 1933 dem Völkerbund vorgestellt wurde, kam es zu einem Antrag, Japan trotz des eher vagen Berichts die Schuld am Zwischenfall zuzuweisen. Daraufhin verließ der japanische Gesandte beim Völkerbund den Saal, kurz darauf wurde der Austritt aus dem Völkerbund verkündet.

 

Die türkische Zwangsheirat

Noch wird den Männern Gnadenfrist ge­währt, sie können auch in der Türkei noch ungestraft dem Jung­gesellentum frönen.

Neue Freie Presse am 27. März 1923

Aus Konstantinopel schreibt unser Korrespondent: Sie ist noch nicht zur Tatsache geworden, wie man schon vielfach angenommen, sie ist vorläufig nur Projekt, parlamentarischer Antrag des Ab­geordneten von Erzerum Salih Efendi und Genossen. Die Zahl dieser Genossen belief sich nur auf zwei, als dieser Antrag zum ersten mal vor drei Jahren eingebracht wurde, sie stieg auf 14 im folgenden Jahre, und heute stehen hinter dem Antrag zur obligatorischen Ehe 104 Abgeordnete der großen Nationalversammlung.

Salih Efendi, der Schöpfer des Projekts, verbringt die letzten Ferien des Parlaments von Angora im langeentbehrten Atambul und hatte Gelegenheit, der türkischen Zeitung „Vakil" gegenüber einiges Nähere über seinen berühmt gewordenen Antrag verlauten zu lassen. Er scheidet ihn in zwei Teile, in die eigentliche Zwangsheirat und die Polygamie des heute ganz abgekommenen altmohammedanischen Systems der vier Frauen. Die Gründe zu seinem Antrag nennt er rein „wirtschaftlicher" Art, und seine Ausführungen sind gewiß logisch und einleuchtend, wenn man vom reinen Prinzip der „Menschen­züchtung" ausgeht.

Das Verhältnis der Bevölkerung zur Quadrat­kilometer sinkt in Anatolien oft aus 15:1 herunter und die Zahl der Kriegerwitwen und Waisen ist im Hause der endlosen Kriege in erschreckender Weise gestiegen. Unzweifelhaft braucht die Türkei viel Menschen und viel Anne zur Arbeit und zum Ausbau, unzweifelhaft muß auch das Los der Witwen und der Waisen auf beste Art gesichert werden; Salih Efendi sieht die Lösung der ersten Frage in fleißiger Menschenzeugung zum Hochbetrieb gebracht durch Zwangsheirat, die Kriegerwitwen will er durch das Vier-Frauen-System versorgen und die Krieger­waisen sollen proportionell allen säumigen Gatten zugeschlagen werden, die sich zu nicht mehr als einer Ehe entschließen wollen.

Kranke und Mittellose allein sollen nicht der Wirkung des Gesetzes unterstehen. Heilbaren Kranken soll lediglich Aufschub zu­ gestanden werden.... Der Abgeordnete von Erzerum Salih Efendi hat noch nicht die genügende Stimmenanzahl hinter sich, doch hofft er, sie bestimmt bis zu den nächsten Wahlen zu er­ringen. Bis dahin ist jedenfalls den Männern Gnadenfrist ge­währt, sie können auch in der Türkei noch ungestraft dem Jung­gesellentum frönen.

 

Hitlers Debüt im Reichstag

Als er, an kein Manuskript mehr gebunden, aus dem Stegreif einen verbalen Angriff erwidert, lernt man den eigentlichen Hitler kennen.

Neue Freie Presse am 26. März 1933

Zur Abgabe der Regierungserklärung ist Hitler in der Tracht seiner Partei erschienen. Aber während sonst bei den Nationalsozialisten mancherlei Uniformluxus getrieben wird, hat er ein einfaches Braunhemd ohne Abzeichen und Verzierungen angelegt. Seinen Gang zur Tribüne begleitet die nationalsozialistische Fraktion mit drei dröhnenden Heil-Rufen, zugleich strecken 288 Arme sich in die Luft - das geht mit der Exaktheit einer militärischen Uebung. Warum hat, da nun einmal das deutsche Volk die Uniform liebt, nicht auch das bisherige Regime Sturmabteilungen geschaffen?


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