Leitartikel

Was Gorbatschow und Putin unterscheidet

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RUSSIA-POLITICS-GORBACHEV-DEATHAPA/AFP/ALEXANDER NEMENOV
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Den Zerfall der Sowjetunion bedauerte auch der verstorbene Ex-Präsident Gorbatschow. Doch anders als Putin hätte er nie einen Krieg riskiert, um das Rad der Zeit zurückzudrehen.

Michail Gorbatschow war der Beweis dafür, dass ein Mann den Lauf der Geschichte zum Besseren verändern kann. Ohne ihn wäre der Eiserne Vorhang womöglich nicht gefallen, ohne ihn wäre die kommunistische Zwangsherrschaft in Mittel- und Osteuropa nicht so sang- und klanglos kollabiert, ohne ihn hätte es keine friedliche Wiedervereinigung Deutschlands gegeben, ohne ihn wäre 1989 vielleicht nicht als wundersames Wendejahr in die Annalen eingegangen, ohne ihn hätte der Kalte Krieg nicht mehr als ein Vierteljahrhundert Pause eingelegt.

Das alles ist erst möglich geworden, weil Gorbatschow nach seiner Bestellung zum Generalsekretär der heillos verknöcherten KPdSU, der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, 1985 mutig revolutionäre Reformen anstieß, deren Folgen über das ursprüngliche Ziel weit hinausgingen. Und weil er der Breschnjew-Doktrin abgeschworen hatte. Anders als sein eisenharter Apparatschik-Vorgänger im Kreml (1964 bis 1982) schickte der bildungshungrige Bauernsohn aus Priwolnoje keine Panzer, um Demokratiebewegungen in „Bruderstaaten“ des Warschauer Paktes niederzuwalzen. Er zog es vor, den Zerfall des roten Satellitenreichs, den er ohnehin für unvermeidlich hielt, tatenlos zuzulassen, anstatt durch Blut zu waten und das wirtschaftlich sinnvolle Tauwetter mit dem Westen zu gefährden. Diese Entscheidung war vermutlich Gorbatschows größtes historisches Verdienst.

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