China

UNO ortet mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Xinjiang

Michelle Bachelet
Michelle Bachelet(c) Reuters
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Wie Menschen in „Berufsbildungseinrichtungen" festgehalten würden, weise Muster von Folter auf, schreibt die scheidende Hochkommissarin Michelle Bachelet in einem Bericht.

Das UNO-Menschenrechtsbüro sieht Anhaltspunkte für Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der chinesischen Region Xinjiang. Das geht aus einem explosiven Bericht hervor, den die scheidende UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, am Mittwochabend kurz vor Mitternacht - zehn Minuten vor dem Ende ihrer Amtszeit - unter Druck veröffentlichte. China reagierte mit einer 131-seitigen Replik auf den Bericht und scharfer Kritik.

Die Beschreibungen von Menschen, die in so genannten Berufsbildungseinrichtungen festgehalten wurden, hätten Muster von Folter oder anderen Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung aufgezeigt, heißt es in dem UNO-Bericht: "Das Ausmaß der willkürlichen und diskriminierenden Inhaftierung von Angehörigen der Uiguren und anderen überwiegend muslimischen Gruppen (...) könnte internationale Verbrechen, insbesondere Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darstellen." Den Menschen seien von 2017 bis 2019 und möglicherweise darüber hinaus fundamentale Rechte vorenthalten worden.

Bericht laut China „komplett unrechtmäßig"

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen und geflohenen Uiguren wurden Hunderttausende Uiguren und Mitglieder anderer Minderheiten in Umerziehungslager gesteckt. Viele sollen zur Zwangsarbeit in andere Provinzen geschickt worden sein. China weist die Vorwürfe zurück und spricht von Lügen.

So auch jetzt: Hinter dem Bericht stünden in Wirklichkeit "die USA und einige weitere westliche Kräfte", er sei "komplett unrechtmäßig und ungültig", sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin, am Donnerstag in Peking. Er bezeichnete den Bericht als "ein Sammelsurium von Fehlinformationen". Hinter dem Bericht der UNO-Menschenrechtskommission stehe die Strategie des Westens, mit Hilfe des Themas Xinjiang "China zu kontrollieren", sagte Wang weiter. Der UNO-Kommission warf er vor, sich zum "Handlanger und Komplizen der USA und des Westens gegen die Schwellenländer" gemacht zu haben.

In der Nordwestregion gibt es schon lange Spannungen zwischen den herrschenden Han-Chinesen und ethnischen Minderheiten. Seit blutigen Unruhen 2009 und Terroranschlägen greifen die Sicherheitskräfte hart durch. Die muslimischen Uiguren beklagen kulturelle und religiöse Unterdrückung, während Peking uigurischen Gruppen Extremismus und Separatismus vorwirft. Nach Angaben von Menschenrechtlern sind Hunderttausende Uiguren und Mitglieder anderer Minderheiten in Umerziehungslager gesteckt worden. Auch gehen Beobachter von systematischer Zwangsarbeit aus. Nach ihrer Machtübernahme 1949 in Peking hatten die Kommunisten das frühere Ostturkestan der Volksrepublik einverleibt.

Kritik für Bachelets Zögern

Der UNO-Bericht sollte schon im vergangenen Jahr veröffentlicht werden. Bachelet zögerte aber, weil sie mit China monatelang darüber verhandelte, ins Land reisen zu können. Diese Reise kam im Juni zustande. Knackpunkte waren unter anderem, dass das UNO-Menschenrechtsbüro selbst entscheiden wollte, wo sie hinfährt und mit wem sie ohne Aufsicht durch Behörden sprechen kann. Ihr Büro sagte zwar, China sei auf die Forderungen eingegangen. Sie reiste auch nach Xinjiang, doch hielt sie sich zum Ende des Besuchs mit Kritik an Pekings Vorgehen in der Region stark zurück. Das brachte Bachelet Kritik ein. Es habe keine Aufklärung des Vorwurfs schwerer Menschenrechtsverletzungen dort gegeben, hieß es etwa in Berlin.

Bachelet stand unter immensem Druck, wie sie vergangene Woche berichtete. Während viele Regierungsvertreter mit wachsender Ungeduld auf die Veröffentlichung gepocht hätten, habe sie auch einen Brief von rund 40 Regierungen erhalten, die sie drängten, von der Veröffentlichung abzusehen. Einzelne Länder nannte sie nicht.

Forderung nach Aufklärung

Das deutsche Außenministerium begrüßte die Veröffentlichung nunmehr. Der Bericht sei sorgfältig recherchiert, erklärte ein Sprecher. "Wir rufen die chinesische Regierung dazu auf, allen Menschen in Xinjiang umgehend in vollem Umfang ihre Menschenrechte zu gewähren." Alle willkürlich Inhaftierten müssten sofort freigelassen werden. Die chinesische Regierung müsse eine weitere unabhängige Aufklärung dieser Vorwürfe zu schwersten Menschenrechtsverletzungen zulassen. "Über Konsequenzen aus dem Bericht werden wir mit unseren Partnern in der EU und in den Vereinten Nationen beraten."

Von Bürgerrechtsgruppen erntete Bachelet aber auch jetzt Kritik. Dilxat Raxit vom Weltkongress der Uiguren, einer internationalen Vereinigung von Exil-Uiguren, erklärte in einem E-Mail an die Nachrichtenagentur Reuters, der Bericht bestätige zwar die Belege für Gräueltaten. Es sei jedoch bedauerlich, dass das UNO-Menschenrechtsbüro diese nicht als Völkermord charakterisiert habe. Human Rights Watch würdigte den Bericht als bahnbrechend. Kenneth Roth, Chef der Menschenrechtsorganisation, sagte jedoch, Bachelet untergrabe den Report: "Indem sie den Bericht veröffentlicht und abtritt, gibt sie auf, sie macht nichts damit, (sie) wirft ihn praktisch einfach in den Mülleimer und verlässt das Büro."

Bachelet war seit 2018 im Amt. Sie bewarb sich nicht um eine zweite Amtszeit. UNO-Generalsekretär António Guterres hat noch keine Nachfolgerin oder Nachfolger benannt.

(APA/dpa/AFD/Reuters)

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