Aufklärung

Genitalverstümmelung nimmt laut Studie weltweit ab

In 26 von 30 betroffenen Staaten in Afrika, im Nahen Osten sowie in Südostasien hat die Verbreitung der grausamen Tradition in den vergangenen Jahren abgenommen, zeigt eine Studie. Es herrscht aber noch viel Handlungsbedarf.

Mehr Bildung, mehr Verbote: Die grausame Tradition der Genitalverstümmelung an Mädchen und Frauen geht einer neuen Studie zufolge weltweit zurück. In 26 von 30 betroffenen Staaten in Afrika, im Nahen Osten sowie in Südostasien nahm ihre Verbreitung in den vergangenen Jahren ab, wie aus einer im Fachblatt "PLOS Medicine" veröffentlichten Erhebung hervorgeht.

Demnach sind in den untersuchten Ländern insgesamt 37 Prozent der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren betroffen, bei Mädchen im Alter bis 14 Jahren sind es acht Prozent. Als Grundlage für die Erhebung dienten die Daten von mehr als 400.000 Frauen und knapp 300.000 Mädchen aus den betroffenen Staaten.

In Äthiopien sank die Zahl der betroffenen Kinder in den vergangenen 20 Jahren stark. Waren im Jahr 2000 noch knapp 52 Prozent der Mädchen zwischen null und 14 Jahren der Praktik unterworfen, waren es im Jahr 2016 noch 15,7 Prozent. Die Autoren führen die Entwicklung neben gesetzlichen Verboten auch auf zunehmende Bildung und die Änderung sozialer Normen zurück.

In Äthiopien wurde die weibliche Genitalverstümmelung 2004 verboten. Zudem findet die Mehrheit der Bevölkerung Unicef-Angaben zufolge inzwischen, dass die Praktik nicht mehr vorgenommen werden sollte. Frauen hätten heute mehr Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt, sagt die Unicef-Expertin Claudia Cappa. "Das verändert auch die gesellschaftlichen Normen."

Auch die Zentralafrikanische Republik machte Fortschritte: In den Jahren 1994 und 1995 waren 43,4 Prozent der Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren betroffen, 2018 und 2019 waren es 21,6 Prozent. "Die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung ist in den letzten drei Jahrzehnten zurückgegangen, mit einer Beschleunigung in den letzten zehn Jahren", so Cappa. Dennoch werde sie in den nächsten Jahren aber nicht gänzlich aufgegeben.

Millionen von Frauen betroffen

Eine Zunahme dieses Eingriffs bei Frauen verzeichnete die Studie dagegen für Burkina Faso, Somalia und Guinea-Bissau. In Guinea-Bissau wurden etwa 2006 bei 44,5 Prozent der Frauen die Genitalien verstümmelt. In den Jahren 2018 und 2019 galt dies bereits für 52,1 Prozent. Unter Mädchen nahm die Zahl in dem westafrikanischen Land hingegen leicht ab. Knapp 30 Prozent von ihnen waren 2018 betroffen.

Schlusslicht bei der auch als weibliche Beschneidung bekannten Prozedur ist der Erhebung zufolge Somalia. Dort waren im Jahr 2020 99,2 Prozent der Frauen verstümmelt. Im Jahr 2006 galt dies für knapp 98 Prozent. Bei Kindern ist es Mali: knapp 73 Prozent der Mädchen waren dort 2018 von dem grausamen Eingriff betroffen. In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl dort kaum verändert.

Die Autoren um Stephen McCall von der Amerikanischen Universität Beirut schätzen, dass weltweit mindestens 100 Millionen Frauen betroffen sind. Die Forscher räumen aber ein, dass die reale Verbreitung wohl etwas höher liegen dürfte. Die Vereinten Nationen gehen von 200 Millionen Fällen aus.

Die Praxis hat vor allem in Staaten in Afrika Tradition, aber auch in einigen Ländern des Nahen Ostens und Asiens. Laut WHO ist sie für 30 Staaten dokumentiert.

Lebenslange Auswirkung auf Frauen

Die Autoren sehen die weibliche Genitalverstümmelung als extreme Form der Ungleichbehandlung der Geschlechter. Sie habe "lebenslange gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen für Frauen und Mädchen", warnen die Forscher aus dem Libanon.

Zu den gesundheitlichen Folgen gehören neben psychischen Problemen auch starke Schmerzen, Infektionen, Blutvergiftungen, Unfruchtbarkeit und Komplikationen bei der Schwangerschaft. Mitunter sterben Mädchen und Frauen auch in Folge der Prozedur. Nach Angaben der Autoren wird sie meistens bei Kleinkindern im Alter zwischen null und fünf Jahren durchgeführt.

Die Verstümmelungen werden den Studienautoren zufolge etwa aus religiösen, sozialen oder kulturellen Gründen vorgenommen. Viele Menschen in den betroffenen Ländern glauben demnach, dass dies die Heiratsaussichten der Mädchen und Frauen verbessere und ihre sexuellen Triebe eindämme. "Es geht darum, diese Normen zu verschieben", so Unicef-Expertin Cappa. "Aber das braucht Zeit." Letztlich müsse die Stellung der Frau in den betroffenen Ländern gestärkt werden.

Bei der Genitalverstümmelung werden je nach Methode Klitoris und Schamlippen teilweise oder vollständig herausgeschnitten. Bei der schwersten Form wird anschließend auch die Scheide bis auf ein kleines Loch zugenäht. Der Studie zufolge sind im Sudan mehr als dreiviertel aller Frauen und die Hälfte der Mädchen von dieser schweren Form der Genitalverstümmelung betroffen.

(APA/dpa)

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