Leitartikel

Will eigentlich niemand mehr arbeiten?

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Der Lehrermangel kommt nicht von ungefähr. Er ist aber auch kein singuläres Ereignis, sondern reiht sich in ein gesamtgesellschaftliches Phänomen ein.

Namhafte Chefredakteure dieses Landes, die eigentlich Lehrer werden wollten, standen zig Jahre, nachdem sie schon im Journalismus tätig waren, noch immer auf Platz 197 der Warteliste für eine Lehramtsstelle. Lehrermangel war in den 1980er- und 1990er-Jahren ein Fremdwort. Das Gegenteil war der Fall. Lehrerschwemme hieß das damals. Als Ursache dafür wurde ausgemacht: die Attraktivität des Lehrerberufs, viel Freizeit, die Möglichkeit, die noch prägenden Erfahrungen der erst kurz zurückliegenden eigenen Schulzeit beruflich zu verwerten. Im Umkehrschluss wurde versucht, jenen, die mit einem Lehramtsstudium liebäugelten, das auszureden: Sie würden eh keinen Job bekommen, sie sollten lieber etwas Nachhaltigeres studieren, Jus, Medizin, Wirtschaft, Technik, was auch immer.

Heute herrscht Lehrermangel statt Lehrerschwemme. Die Ursache nun? Erstens: die Pensionierungswelle. Zweitens: Die Ausbildungszeiten haben sich verlängert – für alle Schulsparten, ob an einer pädagogischen Hochschule oder an einer Universität. Drittens: Der Wunsch nach mehr Teilzeit.

Und dann könnte man noch hinzufügen, dass der Lehrerberuf heute nicht mehr so einfach ist wie früher, bzw. wie man sich das früher vorgestellt hat. Lehrer zu sein in einem urbanen Ballungsraum, in einer öffentlichen Schule, vielleicht noch in einem Viertel, in dem fast niemand mehr Deutsch als Muttersprache hat, ist eine echte Herausforderung. Pädagogisch und sozial. Im Kern geht es eben auch um mangelnde Wertschätzung.

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