Im Malmöer Problemviertel Rosengård löste im April eine Koran-Verbrennung schwere Unruhen aus. Auch areligiöse Kriminelle randalierten.
Waffengewalt

Der Bandenkrieg in den Straßen von Schweden

Schweden gilt als Vorzeigedemokratie. Aber in dem Königreich ufert die Waffengewalt aus. Sie ist Riesenthema. Auch im Wahlkampf. Wie konnte es so weit kommen? Was Polizisten, Sozialarbeiter und ein Krimineller in den Problemvierteln erzählen.

Filips Hände schwitzen. Der 25-Jährige wirkt müde und nervös. Er trägt ein langärmliges Leibchen der Marke Hugo Boss, blaue Jeans und eine Hornbrille. Er sieht ein bisschen aus wie ein Nerd. Müsste man seinen Beruf erraten, würde man auf „irgendwas mit Computern“ tippen. Aber Filip ist kein IT-Fachmann. Filip ist Verbrecher. Sein Arbeitsplatz ist kein Schreibtisch, sondern die Unterwelt von Malmö, eine Stadt am südwestlichen Zipfel Schwedens.

Der 25-Jährige nimmt Drogen. Und er verkauft sie. Also eigentlich hat er Laufburschen, die den Job für ihn erledigen. „Der Jüngste ist 14 Jahre alt.“ Der Nachwuchs bringt die Drogen von A nach B. Oft mit dem Taxi. An einem guten Wochenende verdient Filip bis zu 30.000 schwedische Kronen. Also bis zu 2800 Euro. So erzählt er es.

Podcast zum Thema

Schießereien, Drogenbanden, Tote: Was ist los in Schweden?

Jürgen Streihammer erzählt in seiner heutigen Ausgabe von seiner Reise nach Schweden. 


Filip fällt in der Szene auf. Er hat keinen Migrationshintergrund, und er stammt auch nicht aus einem Problemviertel. Aber Probleme hatte seine Familie schon. Der Vater war nicht da. Und die Mutter „wollte das zwar alles nicht. Aber sie hatte selbst zu kämpfen. Sie ist psychisch krank.“ Die Rekrutierer am Schulhof hatten mit Filip leichtes Spiel. Am Anfang verkaufte er Haschisch, dann Kokain („da war mehr Geld drin“). Filip ist erfolgreich. Er hat drei sogenannte Hot Phones, drei Handys, deren SIM-Karten-Speicher voll sind mit den Kontakten von Drogenkunden. Solche Hot Phones sind wichtiger als ihre Besitzer. Sie werden für viel Geld gehandelt. „Vor drei Jahren wurde ich entführt.“ Sie wollten sein Hot Phone. Den Kundenstock.

Filip ist schon sein halbes Leben lang im Drogengeschäft. Einmal versuchte er den Absprung. Er putzte in einem Restaurant. Aber seine alten Komplizen holten ihn zurück. Sie erpressten ihn. Das kommt vor.

„Es wird schlimmer. Es wird eskalieren"

Die Gegenwart macht Filip Angst. „Es ist nicht mehr wie früher.“ Er meint die Gewalt. „Jeder hat heute eine Schusswaffe.“ Er und seine Freunde auch – „zehn bis 20 Stück“. Woher? „Waffen sind überall. Sie sind so einfach zu besorgen wie Hasch.“ Schweden hat zwar strenge Waffengesetze. Aber es wird geflutet von Schmuggelware aus Ex-Jugoslawien. Immer mehr Waffen landen in den Händen immer jüngerer Dealer. Es gibt in vielen Städten keine dominante „Mafia“. Sondern lose Kleingruppen mit fünf bis zehn Dealern. Die Hierarchien sind flach, die Zündschnur ist kurz und Filips Prognose düster: „Es wird schlimmer. Es wird eskalieren.“

Das klischeehafte Schweden-Bild zeigt eine humanitäre Supermacht. Egalitär und wohlhabend. Ein Paradies aus in Schwedenrot gestrichenen Holzhäusern. Astrids Lindgrens Bullerbü. Dieses Bild ist nicht falsch, aber es ist nur ein Ausschnitt. Unvollständig.

Das andere Schweden

Es gibt noch ein anderes Schweden. Dort brennen Autos und explodieren Granaten. Es duftet nicht nach Kiefernholz, es riecht nach Pulverdampf. Die Bandenkriminalität ufert aus. Im Vorjahr schreckte eine Vergleichsstudie der staatlichen Behörde Brå auf: Während überall sonst in Europa die Zahl der Schusswaffen-Toten gesunken ist, zog sie in Schweden seit 2005 kräftig an.

Man muss hier säuberlich trennen: Die Gesamtkriminalität im Königreich ist noch immer niedrig. Aber die Waffengewalt ist für europäische Verhältnisse enorm. Heuer durchlebt Schweden ein Seuchenjahr. Im Schnitt wird täglich irgendwo geschossen. Die Polizei zählte schon 272 Schießereien – und 46 Tote. Damit wurden heuer mehr Menschen erschossen als im gesamten Vorjahr (45). Im Rekordjahr 2020 waren es 47. Nur eine Minderheit der Delikte wird aufgeklärt. Und immer wieder geraten Unbeteiligte in die Schusslinie.

Als 2020 ein zwölfjähriges Mädchen auf einer Tankstelle in Stockholm von einer verirrten Kugel getötet wurde, zuckte das Land zusammen. Auch im Herbst 2021, als Nils Grönberg alias Einár erschossen wurde, ein Rapper (19) und König der Spotify-Hitparade.

Schweden wählt am 11. September, die Bandengewalt ist ein Riesenthema. Die Sozialdemokraten wechseln die Tonlage: Regierungschefin Magdalena Andersson zieht eine Linie zwischen Parallelgesellschaften und Banden-Terror. Sie räumt ein Integrationsversagen ein. Sie sagt, sie wolle „keine China- und Somali-Towns“ in Schweden. Ihr Justizminister erwägt, den Anteil von „nicht nordischen“ Bürgern in Problemvierteln perspektivisch auf unter 50 Prozent zu drücken. Ein bisschen so, wie Dänemark das tut. Solche Aussagen waren in der Heimat von Olof Palme lang undenkbar. Aber jetzt überbieten sich Parteien mit Vorschlägen, wie sich die Bandenkriminalität eindämmen lässt. Auch deshalb, weil die rechten Schwedendemokraten im Aufwind sind. Sie nennen Schweden ein „Gangsterland“. Wieso eskaliert just hier die Waffengewalt?


Die Suche nach der Lösung dieses „Schwedenrätsels“ führt in schmucklose Plattenbauten. Die Siedlungen wurden auf dem Reißbrett entworfen. Sie waren Teil des „Milionprogrammet“, des Millionenprogramms. Das Vorhaben war ehrgeizig und gut gemeint. Eine Million leistbare Wohnungen stampfte der Staat von 1965 bis 1974 aus dem Boden. Die Siedlungen gibt es in vielen Städten. Sie tragen Namen wie Lindängen oder Rosengård. Sie ähneln sich. Eine Landschaft aus Betonburgen mit einer Unzahl kleiner Balkone, auf denen Satellitenschüsseln Empfang suchen. Die Grünflächen sind großzügig. Oft gibt es ein Zentrum mit Geschäften. Eine Stadt in der Stadt also, in der mehr Menschen leben, als man auf den ersten Blick meint (und als gemeldet sind). Und in der Schwedisch keinesfalls überall Alltagssprache ist.

Die meisten ethnischen Schweden haben diese Viertel verlassen. Aber es gab auch Zuzug. Ein Fünftel der zehn Millionen Menschen in Schweden wurde im Ausland geboren. Viele dockten in den Plattenbau-Vierteln an. Und verließen sie nicht mehr. Als stünden die Gegenden unter einer unsichtbaren Käseglocke. Wobei manche meinen, dass sich hier nicht Ausländer abschotten, sondern (weggezogene) Schweden.

Die 21 „besonders gefährdeten Gebiete"

Die Polizei hat eine rote Liste. Sie zählt 21 „besonders gefährdete“ Wohngegenden. Die schlimmsten Risikogebiete. Die meisten waren Teil des Millionenprogramms. Auch Kroksbäck, Malmö. Rafi Farouq ist hier aufgewachsen. Der gebürtige Afghane sitzt am Steuer seines Seats und zeigt auf die Parkplätze am Straßenrand. „Eins, zwei, drei, vier.“ Farouq zählt die letzten Überreste ausgebrannter Autowracks. „Das muss vor zwei Wochen gewesen sein“, schätzt er. Dann biegt er in die Straße seiner Kindheit ein. Rechts teure Eigentumswohnungen. Die Besitzer haben sich eingezäunt. Grüne Metallstäbe umgeben das Areal. Links der Plattenbau, in dem Farouq aufgewachsen ist. Andere Straßenseite, andere Welt. Hier ballten sich die „sozialen Probleme“. Es gab Kriminalität. „Aber nicht so viele Drogen wie heute.“

Farouq tanzte aus der Reihe. Er musste als Kind um 18 Uhr zu Hause zu sein, seine Freunde nicht. „Ihre Eltern kümmerten sich nicht.“ Wenn Farouq die Hausaufgaben erledigt hatte, legte ihm sein Vater einen staubtrockenen afghanischen Wälzer auf den Tisch („dick wie acht Bücher“). Farouq hat fünf Geschwister. Alle wurden Akademiker. Wie der Vater.

Der Sozialarbeiter Rafi Farouq vor dem Plattenbau in Kroksbäck, Malmö, in dem er aufgewachsen ist.
Der Sozialarbeiter Rafi Farouq vor dem Plattenbau in Kroksbäck, Malmö, in dem er aufgewachsen ist. Jürgen Streihammer



Farouqs Freunde rutschten ab. Auch die besten. Einer landete im Gefängnis, der andere führte eine Gang. Mit 16 wollte Farouq nicht mehr zusehen, wie die Menschen um ihn herum ihr Leben wegwerfen. Heute leitet er die NGO Flamman. Farouq und seine Mitarbeiter ziehen Jugendklubs hoch, die auch abends geöffnet haben. Wenn die Verwaltung schon schläft. Sie betreiben Aussteigerprogramme für Bandenmitglieder und Islamisten. Im April erschütterten schwere Unruhen Schwedens Problemviertel. Ein rechtsextremer Politiker hatte mit Koran-Verbrennungen provoziert. Der Mob antwortete. Er zündete Autos an, es flogen Steine auf Polizisten – Dutzende wurden verletzt –, und hier in Malmö, in Rosengård, steckten Randalierer auch eine Schule in Brand.

Farouq, 1,87 Meter groß, Bart, Laufschuhe, stand auf der anderen Seite der Proteste. Auch in Göteborg. Er intervenierte. Für die Religiösen hatte er einen Zettel dabei mit Versen aus dem Koran, wonach man – sinngemäß – Provokationen den Rücken zuwenden soll. Ob sie sich hier gegen die Worte des Propheten stellten, fragte er sie. Aber in der Menge waren auch viele areligiöse Kriminelle. Farouq reiste durchs ganze Land. Die Städte trennten viele Hundert Kilometer. Aber er sah überall „denselben Typ von Kriminellen, die gleiche Kleidung. Die gleichen Autos.“ Alles ident. „Das zeigt: Wir haben ein Systemproblem.“

Aber warum eskaliert die Lage just in Schweden? „Der Staat war naiv und zu weich. Bei der Migration. Beim Zoll. Bei den Gesetzen. Beim Wohlfahrtsstaat.“ So sieht das Farouq. „Wir verstehen auch nicht die Probleme, mit denen die Menschen hierherkommen.“

Der Lifestyle-Kriminelle

Haben die Konflikte auch kulturelle Ursachen? Einige glauben das, Farouq nicht. Es gehe um zerrüttete Familien. Um fehlende Vaterfiguren. Um Armut vor allem. So habe es jedenfalls angefangen. „Mittlerweile hat sich die Bandenkriminalität zu einer Art Lifestyle entwickelt.“ Sie lockt mit Glamour-Faktor. Farouq erzählt von zehnjährigen Dealern, die 2500 Euro teure T-Shirts tragen. Eine Verhaftung wegen einer Schießerei schreckt sie nicht ab. Weil sie danach befördert werden. Ein paar Jahre Jugendanstalt als Zukunftsinvestition sozusagen. Es gibt in den Banden heute wenig Loyalität und viel Verrat und dafür auch ein Wort: „Goa“ bedeute im Slang sinngemäß, einen Freund in eine Falle zu locken.

Alles im Argen also? Das Bild ist nicht schwarz-weiß. Schon gar nicht in Malmö. Stadt, Staat und Zivilgesellschaft versuchen hier seit Jahren einen Kraftakt. Farouq betreut Dutzende Aussteiger. In Sofielund, Malmö, hat eine Initiative einen lange Zeit verwahrlosten Stadtteil aufgeputzt. Und das Projekt „Sluta skjut“ („Hör auf zu schießen“) verspricht Erfolge. Es ist inspiriert vom US-Kampf gegen Gangs. Die Behörden kooperieren. Endlich! Das war lang ein Tabu. Die Zahl der Schießereien sank in Malmö wieder. Farouq fürchtet aber, dass der Teufelskreis in diesen Monaten wieder beginnt.

Vor einem Einkaufszentrum in Malmös Süden liegen ein paar Rosen. Ein gerahmtes Bild zeigt einen Mann mit dunklerem Teint. Er war Bandenführer. Er wurde hier erschossen und eine Passantin (39) im Kugelhagel schwer verletzt. Der Auftragsmörder kam aus Göteborg. Er ist 15 Jahre jung.

Die Parallelwelt in Stockholm, Rinkeby

Stockholm hat viele Problemviertel. Aber Rinkeby ist das bekannteste. Die U-Bahn dorthin nennen manche „Orient-Express“. Der Weg zur Polizeistation führt vorbei an einer Pizzeria, in der vor ein paar Jahren ein 16-Jähriger ein Bandenmitglied mit einem Kopfschuss hingerichtet hat. Er fasste drei Jahre Jugendanstalt aus.

Rinkebys neue Polizeistation thront auf einer Anhöhe. Es ist ein wuchtiger Bau. Die dicke Fassade schützt gegen Explosionen. Die Fenster sind kugelsicher. „Wie Fort Knox“, sagt Michael Cojocaru augenzwinkernd. Man glaubt das ja kaum, aber ein paar Jahre lang hatte die Polizei hier gar kein Quartier. Auch Angriffe auf die Baustelle verzögerten die Neueröffnung.

Der Polizist Michael Cojocaru vor dem Polizeiquartier in Rinkeby
Der Polizist Michael Cojocaru vor dem Polizeiquartier in Rinkeby



Cojocaru ist 26 und seit dreieinhalb Jahren Polizist in der Gegend. Nach Rinkeby-Maßstäben eine Ewigkeit. „Die meisten Kollegen wollen von hier weg.“ Erst im April wurde „100 Meter von hier“ auf einen Kollegen geschossen, Cojocaru wurde im Vorjahr im Einsatz die Nase gebrochen – Kopfstoß. Er sah Menschen sterben. Auch einen Drogendealer, den sie kannten. Er erinnert sich noch, wie sein Kollege den Mann fragte: „Wer hat dir das angetan?“ Sie wussten von einem Konflikt der Gangs. Aber der verwundete Dealer habe nur gesagt: ,Ich weiß es nicht.‘“ Nicht einmal in der Stunde seines Todes wollte er diesen einen Glaubenssatz im Drogenmilieu verraten: Man redet nicht mit der Polizei!

Auch Cojocaru glaubt, dass Schweden „naiv“ war. „Wenn man mich fragt, dann müsste man die Gesetze ändern.“ Die Politik habe zwar endlich den „Strafrabatt“ für junge Erwachsene (18 bis 20) abgeschafft. Aber wer im Alter von 17 Jahren und elf Monaten morde, komme mit vier Jahren Jugendanstalt davon. Seine Kollegen sagten, Schweden müsse sich Dänemark zum Vorbild nehmen. Dort sind die Gesetze härter. Dort werden auch Verbrechen in ausgewiesenen Problemvierteln doppelt so hart bestraft. Das soll die Gangs treffen.

Cojocaru ist Sohn eines Flüchtlings aus Rumänien. Er wuchs in einer guten Gegend mit ethnischen Schweden auf. „Ich lernte die Sprache automatisch.“ Aber wer aus Somalia nach Rinkeby komme, habe doch keine Chance. Cojocaru fühle sich „wie ein Chamäleon“. Seine Berufswelt in Rinkeby und seine Alltagswelt im Zentrum Stockholms passten nicht zusammen. Aber zumindest gebe es hier in Rinkeby entgegen dem Trend weniger Morde. Vielleicht zeigt die Polizeipräsenz ja Wirkung.

Die mittelgroße Stadt mit den vielen Schießereien

Die Waffengewalt breitet sich unterdessen wie ein Virus jenseits der Großstädte aus. Fahrt nach Eskilstuna, eine Zugstunde westlich von Stockholm. Dort wurde die erste schwedische Dampflok gefertigt. Eskilstuna ist eine alte Industriestadt. Camilla Helgesson leitet hier eine Polizeieinheit. Eskilstuna ist ihre Heimat. Die 52-Jährige fühlt sich hier „sicher und wohl“. Nach wie vor. Den Satz wiederholt sie. Aber sie sagt auch: „Es ist nicht mehr das Eskilstuna von früher.“ In der Stadt mit 85.000 Einwohnern zählten sie heuer mehr als 20 Schießereien.

Was ist hier los? „Es gibt einen großen Konflikt zwischen zwei Gegenden.“ Die eine heißt Årby, die andere Skiftinge. „Es geht darum, wer wo Drogen verkaufen darf. Aber sie schießen auch aufeinander, weil sie sich nicht mögen.“ Ein Krieg verfeindeter Häuserblocks.

Die Wahl und die Banden

Die Polizeiarbeit hier ist hart. Nur mit einem Streifenwagen in die Problemviertel zu fahren sei „keine gute Idee“. Ein Trend bereitet Helgesson die größten Sorgen: Die Kriminellen nehmen immer mehr Risiko in Kauf: „Sie schießen jetzt auch untertags und vor Zeugen. Und sie tauchen in der Nähe von Schulen auf.“ Aber die Eskalation hat auch etwas Positives: „Die Menschen reden jetzt eher mit der Polizei.“ Frei nach Dichter Hölderlin: „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“

Spaziergang nach Årby, Eskilstuna. Eine typische Plattenbau-Siedlung. Das „Zentrum“ hat geöffnet. Kindergelächter hallt über den Flur. Es gibt eine Bibliothek, eine Spielküche und Sozialarbeiter. Eine scheinbar heile Welt. Afghanische Mütter plaudern. Eine heißt Leila. Vor einigen Tagen habe sie abends Schüsse gehört, erzählt sie. Sie habe zwar keine Angst. Aber ihre drei Kinder schon. Sie kennen ja den Krieg.

Zwei Tage nach dem Lokalaugenschein: Bilder derselben Wohnanlage tauchen in den Schlagzeilen auf. Sie zeigen rot-weiße Absperrbänder vor einem Spielplatz. Eine Mutter und ihr kleiner Sohn wurden von Kugeln getroffen und verletzt. Die Premierministerin eilt an den Tatort. Und der Chef der rechten Schwedendemokraten.

Polizistin Helgesson in Eskilstuna
Polizistin Helgesson in EskilstunaJürgen Streihammer

Kriminalität

In Schweden wurden heuer schon 46 Menschen erschossen und damit mehr als im gesamten Vorjahr. Schon vor diesem Rekordjahr zählte eine Studie in Schweden pro eine Million Einwohner zweieinhalbmal so viele Schusswaffentote wie im EU-Durchschnitt. Meistens handelt es sich um Schießereien im Bandenmilieu.

Das Thema spielt auch im Wahlkampf eine große Rolle. Alle Parteien, auch die Sozialdemokraten, kündigen einen harten Kurs an. „Zu viel Migration und zu wenig Integration haben zu Parallelgesellschaften geführt, in denen kriminelle Banden wachsen konnten“, erklärte Regierungschefin Magdalena Andersson.

Sie muss vor den Wahlen am 11. September um den Machterhalt zittern. Der Mitte-rechts- und der Mitte-links-Block liegen in Umfragen gleichauf. In der Einzelwertung führt Anderssons Partei die Umfragen an (30 Prozent). Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten liegen mit 20 Prozent vor den Moderaten (18 Prozent).

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