Unternehmen

„Genau die Leute ins Land holen, die wir wollen“

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer fordert eine neue Strategie für qualifizierte Zuwanderung nach Österreich.

Die Welt ist im Krisenmodus, und Österreich ist mittendrin. Der Krieg, die Inflation, die schwelende Pandemie – alles will bekämpft werden, entsprechend locker sitzt das Staatsgeld. Die großen Reformen, etwa in der Bildung, rücken auf der Prioritätenliste nach hinten. Wäre es nicht ein guter Zeitpunkt, sie auch gleich anzugehen? „Ja, ich glaube es wäre gut, in Bildung, Forschung, Entwicklung und Innovation massiv zu investieren und das nicht aus den Augen zu verlieren“, sagt Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer. „Wir haben hier einen Aufholbedarf.“

Und damit meint er nicht nur Österreich. Die europäische Politik dürfe die geopolitischen und wirtschaftspolitischen Verschiebungen nicht vernachlässigen. Beispiel China: Im Bereich der künstlichen Intelligenz, der Digitalwirtschaft, der Weiterentwicklung des Internets. „Da versuchen die Chinesen im Moment, alle Kommissionen weltweit zu dominieren und ihre Standards einzubringen. Diese Standards bestimmen, wie in den nächsten zehn, 20 Jahren Wirtschaft funktioniert. Und das wird in Österreich und auf EU-Ebene total unterschätzt“, sagt Mahrer.

Europa sei in seiner Entscheidungsfähigkeit oft zu langsam – wie auch das aktuelle Beispiel des Strommarkts und der Sanktionen gegen Russland zeige. „Diese pluralistische Struktur, die unserem westlichen liberalen Rechtsstaat und der Demokratie geschuldet ist, hat viele Vorteile, weil aus dieser Buntheit viele Stärken resultieren. Aber sie lähmt uns auch, weil nationalstaatliche Interessen oftmals stärker wiegen als das gemeinsame europäische Interesse.“

Aufstiegshungrige Konkurrenz

Eine der großen Herausforderungen der österreichischen Unternehmen ist derzeit die schwierige Suche nach qualifizierten Mitarbeitern. „Durch Covid hat es einen Stimmungswandel gegeben. Es ist tatsächlich ein gewisses Abnehmen der Leistungsbereitschaft wahrnehmbar.“ Man dürfe das aber nicht verallgemeinern. „Die riesige Mehrheit der Beschäftigten arbeitet wahnsinnig fleißig. Wir haben eine hohe Arbeitsproduktivität, sonst könnten wir uns im internationalen Wettbewerb nicht behaupten“, sagt der WKÖ-Chef.

Man müsse aber in die Zukunft schauen. Von einer Arbeitszeitverkürzung, wie sie die Gewerkschaft forciert, hält er nichts – auch nicht von der öffentlichen Debatte darüber, „dass es einfach chic und gut ist, wenn man es sich so einrichtet, dass man weniger arbeitet“, sagt Mahrer. „Es muss einem klar sein: Wollen wir alle weniger machen, werden wir unser Wohlstandsniveau nicht aufrechterhalten können. Wir stehen im Wettbewerb mit Wirtschaftsräumen, in denen die Menschen extrem aufstiegshungrig sind, sich viel aufbauen wollen und sich diese Fragen überhaupt nicht stellen. Dessen muss man sich bewusst sein.“ Zum Beispiel in Vietnam, auf den Philippinen, in Indonesien. „Und da reden wir noch gar nicht über ein noch nicht erwachtes Afrika.“

Die demografische Lücke, die dadurch entsteht, dass mehr Ältere in Pension gehen, als Jüngere nachkommen, müsse man immer vor Augen haben. Um dieser zu begegnen, müsse man an allen Schrauben drehen. Erstens: die Kinderbetreuung ausbauen, um „das Arbeitskräftepotenzial im Bereich der Mitarbeiterinnen zu heben“. Zweitens: „ganz klar zu setzende ökonomische Anreize für das längere Arbeiten im Alter.“

„Duale Akademien“ im Ausland

Drittens: qualifizierte Zuwanderung nach Österreich. „Dass wir uns als Republik Österreich bewusst rund um den Globus bemühen, genau die Leute ins Land zu holen, die wir wollen.“ Als Beispiel nennt Mahrer die Schaffung von „dualen Akademien“, etwa auf den Philippinen oder in Indonesien, wo die Menschen eine Ausbildung erhalten und begleitend Deutsch lernen. „In den 1960er- und 1970er-Jahren hat man das Gastarbeiter genannt. Das waren Menschen, die auf Zeit gekommen sind.“ Ähnlich könnte man das auch in der jetzigen Situation etablieren. „Dafür gehört eine Strategie her.“

Viele der früheren Arbeiter aus Osteuropa kämen nicht mehr nach Österreich, dafür Arbeitsmigranten aus anderen Ländern. Dadurch sei viel Erfahrung verloren gegangen. Jetzt kämen Menschen mit weniger Erfahrung und mitunter einem niedrigeren Qualifikationsniveau.
Die Unternehmen würden jedenfalls viel investieren, um Mitarbeiter zu finden und zu halten. „Sonst hätten sie nicht so einen großen Anteil an Stammpersonal.“

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