Missbrauch

Gegen Machtmissbrauch und Übergriffe: Kunst und Sport bekommen neue Vertrauensstelle

PK ´SCHUTZSCHIRM F�R DIE �STERREICHISCHE VERANSTALTUNGSBRANCHE´
PK ´SCHUTZSCHIRM F�R DIE �STERREICHISCHE VERANSTALTUNGSBRANCHE´(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Vizekanzler Kogler und Staatssekretärin Mayer präsentierten die neue, unabhängige Vertrauensstelle namens Vera*. Die „besonderen Verhältnisse“ in Kunst, Kultur und Sport würden Machtmissbrauch und Übergriffe fördern.

Anlässe gibt es genug, und man muss nicht weit zurückblicken: #Metoo-Vorwürfe in der österreichischen Film- und Theaterszene werden im Juni laut, Missbrauchsverdacht gegen den Ex-Coach bei der Frauenmannschaft des Fußballclubs Vienna im Juli, Berichte von Übergriffen an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien im August, und nun die Vorwürfe gegen Regisseur Ulrich Seidl, er habe minderjährige Laiendarsteller ausgenutzt.

Die neue Vertrauensstelle gegen Belästigung und Gewalt in Kunst, Kultur und Sport (kurz: „Vera*“) dürfte also genug zu tun haben. Diese haben Vizekanzler Werner Kogler und Kultur-Staatssekretärin Andrea Mayer am Dienstag präsentiert.

Die Stelle, die am Dienstag ihre Arbeit aufnahm, soll erste Anlaufstelle für Betroffene sein und diese beraten, informieren, betreuen, von Anfang an begleiten und bei Bedarf an weitere Stellen vermitteln. „Es ist bestürzend und unfassbar, dass es eine solche Stelle braucht“, sagte Mayer am Dienstag. Es gebe zwar schon in vielen Verbänden und Institutionen ähnliche Stellen, das Besondere an Vera sei aber die völlige Unabhängigkeit. Betroffene könnten sich sicher sein, dass ihr Fall vertraulich behandelt wird und sie keine weiteren Nachteile fürchten müssen. Die neue Stelle soll auch präventiv und bewusstseinsbildend tätig werden und „in der Öffentlichkeit eine unüberhörbare Stimme sein“, sagte Mayer.

Männer als Täter

„In der Kultur und im Sport herrschen besondere Verhältnisse“, erklärte Minister Kogler die Auswahl gerade dieser Sparten für die Vertrauensstelle. Die besondere Nähe zwischen Auszubildenden und Betreuern oder Trainern und die oft relativ abgeschotteten Trainings seien für Machtmissbrauch und die Möglichkeit zu Übergriffen „besonders förderlich“. Und es sei Kogler „als Mann“ wichtig zu sagen, dass in den allermeisten Fällen Männer die Täter seien. „Es liegt auch an uns Männern, dem klar entgegenzutreten und ein anderes Männerbild zu forcieren.“

Die Vertrauensstelle geht auf einen Nationalratsbeschluss aus dem Jahr 2021 zurück. Als Jahresbudget sind 200.000 Euro aus dem Staatssekretariat und 150.000 aus dem Sportministerium vorgesehen. Zwei unabhängige, bereits existierende Vereine, „100% Sport - Zentrum für Genderkompetenz und Safe Sport sowie die „Vertrauensstelle gegen Machtmissbrauch, Belästigung und Gewalt in Kunst und Kultur“, sind für die jeweiligen Bereiche zuständig. Die Berater und Beraterinnen stammen selbst aus dem Sport- bzw. Kulturbereich.

Die Berater sind online, (unter vera-vertrauensstelle.at), per Telefon, sowie über SMS und den Messengerdienst Signal erreichbar. Man sei allerdings keine 24-Stunden-Krisenhotline, betonte Claudia Koller von 100% Sport. Das Angebot ist kostenlos, etwaige Zuschüsse, etwa für Anwaltskosten, gibt es keine.

Nicht im Kreis schicken

Betroffene sollen von der Kontaktaufnahme an bei allen weiteren Schritten, sofern welche unternommen werden wollen, begleitet werden. Auch, wenn andere Opferschutzeinrichtungen oder Stellen eingebunden werden. „Betroffene sollen nicht das Gefühl haben, im Kreis geschickt zu werden“, sagte Claudia Koller von 100% Sport.

Ob bei besonders schweren Fällen die Polizei eingeschaltet wird, würde von Fall zu Fall entschieden, sagte Ulrike Kuner, die den Kulturbereich bei Vera* leitet. Gerade wenn es um Minderjährige gehe, sei man verpflichtet, alles zu tun, um Kinder zu schützen.

Das Angebot richtet sich an betroffene Künstlerinnen, Kulturarbeiter und Sportler, egal ob aus dem Breiten- oder Spitzensport. Aber auch Trainer, Betreuer, Erziehungsberechtigte oder Zeuginnen können sich an die Vertrauensstelle wenden. „Auch wenn man sich unsicher ist, ob es eine Grenzüberschreitung war“, könne man sich melden, sagte Kuner.

Auch wenn Vorfälle schon länger zurückliegen, sei das kein Ausschlussgrund. „Wir haben keine Verjährungsfrist“, versicherte Mayer. Ebenso Anlaufstelle sei man bei Projekten im Ausland, sofern es einen Österreichbezug gebe.

Seidl könnte Förderung verlieren

Einen solchen Fall gibt es derzeit mit den Vorwürfen gegen Ulrich Seidl, der junge Laienschauspieler bei den Dreharbeiten zu seinem neuen „Film „Sparta“ nicht korrekt über das Filmthema Pädophilie aufgeklärt haben soll. Das Österreichische Filminstitut als zuständige Filmförderstelle des Bundes habe begonnen, die Vorwürfe, die vom Regisseur bestritten werden, zu prüfen, berichtete Mayer. Seidl sei aufgefordert worden, dem ÖFI Dokumente wie Verträge und Zustimmungserklärungen auszuhändigen - bisher sei eine Antwort noch ausständig, sagte Mayer. Konsequenzen könnten jedenfalls bis zur vollständigen Rückzahlung der Fördersummen reichen - für die beiden Geschwisterfilme „Rimini“ und „Sparta“ habe es u.a. 1,3 Millionen Euro vom ÖFI und 675.000 Euro vom ORF gegeben.

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