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Das hässlichste Gebäude der Welt?

99 Kuppeln. Die Nationalbibliothek des Kosovo, urhässlich oder urschön,  je nach Privat-geschmack.
99 Kuppeln. Die Nationalbibliothek des Kosovo, urhässlich oder urschön, je nach Privat-geschmack. qiv/wikimedia common
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Eklektizistisch: die Neo-Metropole Prishtinë zwischen Religion, Architektur und US-Präsidenten.

Kosovaren müssen sich bei der ­Einreise nach Serbien registrieren, allerdings werden Kosovo-Nummerntafeln nicht anerkannt. Als nun der Kosovo gleichziehen und ab August serbische Nummerntafeln nicht anerkennen wollte, errichteten Vertreter der im Norden des Landes lebenden Minderheit Barrikaden.

„Falls sie es wagen, Serben zu töten, wird Serbien gewinnen“, goss eine nationalistische Belgrader Zeitung Öl ins Feuer. Der Kosovo verschob die Pläne. Obwohl seine Staatlichkeit von 4000 Kosovo-Force-Soldaten (Kfor) unter Nato-Führung geschützt ist, sind Kosovo-Politiker vorsichtig. Von gefähr­lichen politischen Wirrungen – der ­russische Diktator sieht sein Land als „Schutzmacht“ Serbiens – spürt man in der jüngsten Hauptstadt Europas (seit 2008) recht wenig. Prishtinë, Priština, Prishtina – ein eklektizistisches Gebilde mit moderner Architektur auf jugoslawischem Substrat. Die tollste Sehenswürdigkeit verfügt über beeindruckende 99 weiße Glaskuppeln auf einer stählernen Dachkonstruktion – die Nationalbibliothek am Unicampus, laut „Telegraph“ hässlichstes Gebäude der Welt.


Welch ein Wunder, dass die alten, teils abgetakelten Religionen inmitten Europas noch im 21. Jahrhundert derartige Wirkmacht haben – in Prishtinë herrscht Konkurrenz: Nahe der Bibliothek steht die unfertige serbisch-orthodoxe Christus-der-Erlöser-Kirche, Symbol eines Reserbisierungsversuchs in den Neunzigern. Klein und fein wirkt sie neben der überdimensionierten Mutter-Teresa-Kathedrale (Katedralja Nënë Teresa), total ausgestorben im Vergleich zu den eleganten Moscheen der albanischen Mehrheitsbevölkerung.

Die internationale Verwicklung des Landes, das von etwa der Hälfte aller Staaten anerkannt wird und als Währung den Euro verwendet, bildet sich im Straßennetz ab: Der Bulevardi Bill Klinton, die Rruga Robert Dole oder der Bulevardi Xhorxh Bush ehren US-Politiker. Auf Klintons beziehungsweise Clintons Boulevard steht sogar eine von einem ungeschickten Bildhauer verfertigte Statue des kosovarischen Helden aus Hope, Arkansas. Autos mit Kosovo-Nummerntafeln brausen vorbei, ein paar serbische auch. 

("Die Presse Schaufenster" vom 02.09.2022)

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