Wiener Staatsoper

"Carmen" in der Staatsoper: Das Unzüchtige überlässt man den anderen

Wenig lasziv, dafür aber umso wirkungsvoller: Elina Garanča sang erstmals in Wien die Carmen in Calixto Bieitos bedrückender Inszenierung. Ihre ganz persönliche Sichtweise fügt sich glaubwürdig ein.

Wie plakativ muss jemand agieren, um erotisch zu wirken? Wenn es nach Elina Garanča geht, herzlich wenig: Die lasziven Gesten, die Calixto Bieitos Inszenierung verlangt, legt sie anders aus als ihre Vorgängerinnen. Fast verschämt strich sie mit der Blume über ihr Dekolleté und zwischen ihre Beine, bevor sie sie Don José zuwarf. Diese Frau weiß um ihre Ausstrahlung – und folgt der alten Theaterweisheit, laut der „die anderen den König spielen“. Natürlichkeit und unprätentiöses Gehabe machten Garančas Carmen anziehender als jene ihrer Vorgängerinnen in dieser Inszenierung. Der Mezzo hat seit dem Wiener Carmen-Debüt in der Zeffirelli-Produktion von 2013 an Profundität gewonnen. Dass sich die Künstlerin in der Pause als an Sommergrippe kränkelnd ansagen ließ, wäre nicht nötig gewesen.

Garančas eigene Interpretation rieb sich weniger an Bieitos Sichtweise, als man vermutet hätte. Der Regisseur verortet die Handlung in einer spanischen Exklave in Nordafrika, einem Brennpunkt von Migration und Schmuggel. Das Aggressionspotenzial ist spürbar hoch. Soldaten dreschen auf Telefonzellen ebenso ein wie aufeinander. Zum Gaudium vieler wird eine Frau den Fahnenmast hochgezogen. In dieser geladenen Atmosphäre konzentriert sich Bieito vor allem auf Gewalt und käuflichen Sex.

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