Klimainitiative

Wie das Hochgebirge zur Lebensaufgabe wurde

APA / TOBIAS STEINMAURER
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Georg Kaser ist weltbekannter Klimaforscher. Der Glaziologe hat fast zwei Jahrzehnte lang am IPCC–Bericht mitgearbeitet.

Dafür ist Georg Kaser weltweit bekannt: für seine Erkenntnisse auf dem Gebiet der Klimaforschung. Die vergangenen zwölf Jahre hat er am Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck geforscht und gelehrt. Von 2015 bis 2021 war der Vizepräsident des FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) auch Dekan seiner Fakultät.

Absehbar war das nicht. Kaser, der 1953 in Meran zur Welt gekommen ist, hat sich durch eine Gewerbeoberschule (HTL) gekämpft, die ihn mit jedem Schuljahr bestärkte: „Eine Laufbahn in einem technischen Beruf will ich nicht einschlagen.“ Er wollte „etwas mit Hochgebirge“. Auch deshalb hat er sich nach der Matura in Innsbruck an der Universität der Meteorologie und Geophysik, später der Atmosphärenphysik zugewandt. Schon damals, Mitte der 1970er, vermuteten die Wissenschaftler: „Irgendetwas stimmt da nicht.“ Spätestens seit Ende des 19.  Jahrhunderts wurde beobachtet, wie sich die Gletscher zurückzogen.
Kaser, der nun vereiste Regionen im Hochgebirge Südamerikas und Afrikas untersuchte, hat sich in seiner Dissertation mit Verdunstung von Schnee und Eis und 1996 in seiner Habilitation mit Gletschern in den Tropen beschäftigt. Damals – und in der Forschung am Institut seither – hat er nicht nur darauf geachtet, was steigende Durchschnittstemperatur am Gletscher bewirkt, sondern auch, wie sich ändernde Feuchtigkeitsmuster auf Flächen auswirken, die früher gern „ewiges Eis“ genannt wurden.

Sein kritischer Zugang blieb der internationalen Science-Community nicht verborgen. Er wurde in den Gral der Klimawissenschaft gebeten: Das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) lud den Glaziologen ein, am vierten Sachstandsbericht mitzuarbeiten. Die Einladung wurde erneuert, womit Kaser von 2003 bis 2013 als einer der „Lead Authors“ den Bericht mitgestaltete. Beim jüngsten Bericht, dessen drei Teile zwischen August 2021 und April 2022 veröffentlicht wurden, war Kaser als „Review Editor“, als Begleiter der Autoren im Begutachtungsprozess, beteiligt.

In den vergangenen Monaten hat Kaser wieder Neuland betreten: Als wissenschaftlicher Beirat des Klimarats hatte er die Mitglieder des Bürgerrats zu beraten, der auf eine Forderung des Klimavolksbegehrens zurückgeht. Er und andere übersetzten, was die Wissenschaft zusammengetragen hat. An Kaser nagten Zweifel: „Kann eine solche Übung gelingen?“ Sie kann. Viele Gespräche waren nötig, um in ruhige, sachliche Bahnen zu gelangen, im Zuge derer Kaser auch ab und zu eingestand, dass noch nicht alle Fragen beantwortet werden können, vor allem nicht jene nach künftigen Entwicklungen. „Es ist aber klar: Das Klima ändert sich, die Änderungen sind am oberen Rand dessen, was Modelle schon lang zeigen. Der Mensch hat noch ein kleines Zeitfenster, um die Erwärmung zu stabilisieren.“ Das Wissen dafür sei verfügbar. Für ihn ist schwer nachvollziehbar, dass Politiker die Dringlichkeit nicht begreifen. Eher sei es so, dass „Bewahrer des derzeitigen Systems alle Register ziehen – in die falsche Richtung“.

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