Streamingtipps

Spannung à la Hitchcock – und viel Frischfleisch

Eine Romanze, die sich ziemlich perfide entwickelt, ein höchst fragwürdiges Gefängnis-Experiment und gleich mehrere komplizierte Mutter-Tochter-Verhältnisse: ein Blick auf neue Thriller zum Streamen auf Netflix, Amazon, Disney+ und Co.

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Fresh

Von Mimi Cave, 2022
Zu sehen auf Disney+

„Ich esse keine Tiere“, sagt Steve (Sebastian Stan, bekannt u. a. aus Marvel-Filmen) beim zweiten Date zu Noa (Daisy Edgar-Jones aus „Normal People“) – und wer noch nichts über die weitere Entwicklung des Films weiß, könnte an dieser Stelle stutzig werden. Warum sagt er nicht „Fleisch“? Ganz geheuer ist von Anfang an vieles nicht in dieser absonderlichen Genre-Mischung, die auf Wikipedia als „black comedy horror thriller“ firmiert. Eine von vielen Online-Dates desillusionierte Frau und ein smarter Charmeur treffen hier aufeinander. Wirklich romantisch wird es aber nicht, zu kühl sind die Bilder, zu nah schwebt die Kamera an die Figuren heran. Und überhaupt, wie auch die beste Freundin feststellt: Lässt sich Noa nicht viel zu schnell auf diesen Typen ein?

Tut sie, stellt sich heraus, als nach 30 Minuten erst der Filmtitel erscheint, die Handlung eine völlig neue Wendung bekommt – und die Bezeichnung „Fleischmarkt“ für die oberflächliche Tinder-Welt eine neue Bedeutung. Es wird blutig, aber nicht allzu grauslich, und langsam treten die satirischen Töne hervor, wenn Noa lernt, ihre auf vielen Dates widerwillig erprobten, femininen Flirt-Manieren für einen neuen Zweck einzusetzen: das nackte Überleben. (kanu)

Run

Von Aneesh Chaganty, 2020
Zu sehen auf Amazon

Wer „Psycho“ kennt, weiß, dass Thriller-Maestro Alfred Hitchcock dem Konzept „Mutterliebe“ misstraute – gelinde gesagt. Insofern hätte ihm „Run“ vielleicht doppelt gefallen: Aneesh Chagantys straff gespannter Psychothriller ist nicht nur Hitchcocks Suspense-Effekten verschrieben, er dreht sich auch um eine Horror-Mama vor dem Herrn. Souverän gespielt von Sarah Paulson kümmert sich diese liebevoll um ihre gehbehinderte Tochter Chloe (Kiera Allen). Nur das Beste für ihr Ein und Alles! Als die Jugendliche begreift, dass die Fürsorge einen großen Haken hat, wird der Titel des Films zum akuten Appell. Und selbst ein handelsüblicher Lötkolben zum Hilfsmittel bei der Flucht aus dem Eigenheim-Alcatraz. (and)

No Exit

Von Damien Power, 2022
Zu sehen auf Disney+

Auch bei Darby ist das Verhältnis zur Mutter angespannt. Toxisch ist in dem Fall die Tochter, die wegen Drogenkonsums rausgeflogen ist. Als die Mutter im Krankenhaus liegt, haut Darby aus der Entzugsklinik ab, um sie zu besuchen. Ein Blizzard zwingt die junge Frau aber mit vier Fremden zur Übernachtung in einem abgelegenen Haus. Als Darby in einem der Autos auf dem Parkplatz ein entführtes Mädchen entdeckt, beginnt das Katz-und-Maus-Spiel. Die Frage, wem man trauen kann und wem nicht, birgt durchaus Überraschungen und trägt zur Spannung bei – zumal es kein Entrinnen gibt. Draußen pfeift Darby der Schneesturm um die Ohren, drinnen sind es die mörderischen Metallstifte aus dem Druckluft-Tacker. Das zumindest ist originell. (i. w.)

Escape from Spiderhead

Von Joseph Kosinski, 2022
Zu sehen auf Netflix

Ein Gefängnis, dessen Direktor und Insassen, die einwilligen, an einem Experiment teilzunehmen. Überprüft wird die Wirkung dubioser Substanzen, sie lassen die Probanden lieben, Schönheit empfinden, gehorchen – und einander Schmerzen zufügen. Wie weit wird der Sträfling Jeff gehen? Und was führt der Direktor im Schilde? Für den Thriller wurde eine mit einfachsten Mitteln Gänsehaut erzeugende Kurzgeschichte von George Saunders billig aufgemotzt (Love Story! Ein in Flammen aufgehendes Auto!), Chris Hemsworth und Miles Teller als Gegensacher überzeugen auch nur zwischendurch. Schade, das hätte ein intensives Thriller-Kammerspiel werden können. (best)

Windfall

Von Charlie McDowell, 2022
Zu sehen auf Netflix

Was macht dieser Kerl da bloß? Das ist die Frage, die man sich zu Beginn des Netflix-Thrillers stellt. Und dann den ganzen Film hindurch. Als ob er hier zu Hause wäre, streift er durch das schöne Anwesen in der kalifornischen Pampa. Fängt dann aber an, es nach Geld und Wertgegenständen zu durchsuchen. Ein Einbrecher also, aber ein sichtlich ungeübter: Er wird von den Besitzern des Hauses überrascht, einem arroganten IT-Milliardär und seiner Frau. Sie sind bereit, ihm allerlei zu geben. Doch dem ungeschickten Niemand (Jason Segel, bekannt aus „How I Met Your Mother“) missglückt die Flucht und er sitzt nun bis zum nächsten Tag mit seinen Geiseln fest. Die er spürbar verachtet, und das nicht nur aus Gründen des Klassenkampfes.

All das würde Raum geben für fesselnde Psychospielchen, doch das Drehbuch – immerhin mitgeschrieben von „Seven“-Autor Andrew Kevin Walker – schöpft die Möglichkeiten nicht aus. Es bleibt ein kammerspielartiger, realistischer Thriller, der zwar in der Tradition von Alfred Hitchcock steht und gut besetzt ist, aber den Spannungsbogen nicht immer ganz halten kann. Er punktet immerhin mit einem überraschend abgründigen Ende. (rovi)

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