Tierschützer-Prozess: Eklat wegen "Sexspionin"

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TIERSCHUETZER-PROZESS BALLUCH(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (Herbert Pfarrhofer)
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Die Verhandlung musste abgebrochen werden, weil die Zeugin nur in einem Nebensaal befragt werden sollte. Die Angeklagten und ihre Verteidiger protestierten, Zuseher wurden aus dem Saal getragen.

Der Prozess gegen 13 Tierschützer in Wiener Neustadt ist nach einem Eklat um die "Sexspionin" mit dem Decknamen Danielle Durand am Mittwochnachmittag abgebrochen worden: Richterin Sonja Arleth wollte die verdeckte Ermittlerin (VE) unter Hinweis auf die potenzielle Gefährlichkeit der Angeklagten in einem Nebensaal einvernehmen. Die Beschuldigten und ihre Anwälte protestierten, Zuseher wurden nach tumultartigen Szenen aus dem Verhandlungssaal getragen und die Verhandlung daraufhin auf Donnerstag vertagt.

Arleth hatte nach der Mittagspause überraschend angekündigt, dass die Einvernahme von Durand kontradiktorisch erfolgen werde, und dies damit begründet, dass für die VE bei einer Befragung im Saal möglicherweise eine ernsthafte Gefährdung ihrer Gesundheit bestehe. Als Argumente dafür würden sämtliche Anschläge im Strafantrag sprechen, sagte sie. Außerdem sei die Gefahr gegeben, dass Angeklagte oder Zuseher die Zeugin nach der Verhandlung stalken könnten. Weil aber nachvollziehbar großes öffentliches Interesse an der Aussage der Ermittlerin bestehe, werde die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen. Es sei aber "der Wahrheitsfindung dienlicher", wenn die Befragung nicht im Saal geschehe.

Kontradiktorische Einvernahme

Eine kontradiktorische Einvernahme wird - meist bei Missbrauchsprozessen - zum Schutz der Opfer angewandt: Der Zeuge muss dabei nicht im Gerichtssaal in Anwesenheit des Angeklagten aussagen, sondern wird in einem abgetrennten Raum - manchmal auch bereits vor der Verhandlung - vom (Untersuchungs-)Richter befragt. Der Angeklagte bzw. dessen Anwalt sowie die Anklage können nur über eine Videoanlage Fragen stellen.

Angeklagte und Verteidiger sprachen sich vehement dagegen aus. "Es kann nicht sein, dass das mit unserer Gefährlichkeit begründet wird, die die Zeugin nur widerlegen kann, wenn wir sie direkt befragen können", meinte der Zweitbeschuldigte. Auch Verteidiger Stefan Traxler stieß in dasselbe Horn: Vorwürfe aus der Anklage könnten nicht begründend herangezogen werden, sondern müssten erst bewiesen werden. Auch die übrigen Anwälte stimmten dem zu. Die VE habe sich monatelang ohne Angst zwischen den Angeklagten bewegt und sei außerdem eine Entlastungszeugin. Eine kontradiktorische Einvernahme würde die Beamtin mit einem Missbrauchsopfer gleichsetzen.

Angeklagte verließen Verhandlungssaal

Die Richterin beharrte allerdings auf ihrer Entscheidung und zitierte aus der Strafprozessordnung. Die Zeugin sei durch die "in Richtung eine Polizeiagentin diffamierende Berichterstattung" großem Druck ausgesetzt, sagte sie und begab sich in den Nebenraum, wo bereits eine Frau - offenbar mit Perücke - auf der Videoleinwand zu sehen war. Beschuldigte äußerten Zweifel, dass es sich bei dieser tatsächlich um "Danielle Durand" handle.

Drei Angeklagte verließen daraufhin wütend den Saal, Zuseher begannen zu protestieren. Arleth schloss sie aus der Verhandlung aus, weil sie sich jedoch weigerten zu gehen, wurden sie gegen ihren Willen hinausgetragen. Daraufhin brachen tumultähnliche Zustände aus: Kameras waren im Saal, Angeklagte skandierten "Keine Gewalt" und filmten die Szenen. Aufgrund der aufgeheizten Stimmung wurde die Verhandlung abgebrochen. Die Aussage der Zeugin soll dann morgen, Donnerstag, stattfinden.

Cobra-Einsatz zum Schutz der VE

Am Vormittag stand noch die Fortsetzung der Befragung des Vorgesetzten der verdeckten Ermittlerin auf dem Programm: Dessen Angaben vom Montag stießen bei Richterin und Verteidigung teilweise auf Unverständnis. Thematisiert wurden etwa die nicht vorhandenen Aufzeichnungen des Beamten bezüglich Anweisungen der Soko. "Ich verstehe nicht, dass es über dienstliche Aufträge keine Aktenvermerke gibt", betonte Arleth. Man könne sich schließlich nicht alles merken, was man mache. "Ich habe die Aufträge mündlich entgegengenommen", meinte der VE-"Führer" nur. Er mache auch bei anderen Ermittlungen keine schriftlichen Vermerke.

Seine übrigen Erklärungen waren ebenfalls wenig aufschlussreich. Er habe nur Aufträge der Soko-Leitung entgegengenommen, diese habe auch alle Entscheidungen getroffen, erklärte der Beamte. Interne Diskussionen darüber, ob bei den verdeckten Ermittlungen nach dem Sicherheitspolizeigesetz die Gefahrenabwehr überschritten wurde, habe es laut ihm nicht gegeben. "Nein, es war Auftrag der Soko", so die lapidare Antwort. Eine Evaluierung des Einsatzes habe es nicht gegeben. Das Büro sei ein Assistenzdienst, der auf Auftrag tätig werde. Man spreche zwar intern über die Angelegenheiten, Aufzeichnungen gebe es aber nicht.

Um die VE vor einem befürchteten gefährlichen Angriff zu schützen, gab es einmal sogar einen Einsatz der Cobra. Der Zweitangeklagte habe Kenntnis von Ermittlungen gegen ihn erlangt, daher konnte ein Angriff auf "Durand" nicht ausgeschlossen werden. Die Cobra wurde alarmiert, über ein Telefon hörte der VE-"Führer" etwa eine Stunde lang bei den Gesprächen der Tierrechtsaktivisten mit. Da aber keine Gefahr absehbar war, wurde die Einheit wieder entlassen. Einen Bericht darüber habe er nicht verfasst, sagte der Zeuge.

Über die Ausbildung der VE wurde ebenfalls gesprochen. Die Frau habe neben der zweijährigen Polizeischule eine rund dreiwöchige Grundausbildung für verdeckte Ermittler absolviert, gab der Beamte an. Die Grundzüge des Rechtsstaates gehörten zum allgemeinen Teil. Anwalt Josef Philipp Bischof wollte daraufhin wissen, ob diese Ausbildung reiche, damit die Polizeiinformantin abschätzen könne, ob sie sich im rechtmäßigen Bereich befindet. "Ich nehme an", war die Antwort.

(APA)

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