Mein Freitag

Irgendwer muss einmal die Würstel essen

Die Presse/Clemens Fabry
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Wer Steak will, muss es selber mitbringen. Über die neue Ehrlichkeit.

Grillen hat an Glut verloren. Zuerst konnte man nicht (Lockdown), dann wollte man nicht (irgendwer hatte immer Corona, vorher oder nachher). Dann kamen nur noch vereinzelt Einladungen. Bei der ersten gab es Würstel aller Art und den knappen Satz: „Steak haben wir uns heute erspart.“ Das war ehrlich, und die Käsekrainer waren hervorragend.

Bei der zweiten Grillerei gab es sehr viele Bratwürstel (auch vegan). Einige Gäste brachten eigene Steaks mit, die dem Grillmeister überreicht wurden. Dann schauten alle, die kein Fleisch mitgebracht hatten, dafür aber Tsatsiki und Salat, mit großen Augen auf die Steaks der anderen. Jene fühlten sich etwas unwohl und boten an zu teilen.

Nun, zu Ende des Sommers, ist noch eine Einladung eingetrudelt, mit der Bitte: „Wer Steak will, bitte selber mitbringen.“ Es dürfte sich also um keinen Einzelfall handeln, sondern neue Gepflogenheit (oder auch neue Ehrlichkeit) sein. Oder ist es eine neue Schonungslosigkeit? Einzuladen, aber klarzumachen, dass man nicht bereit ist, sich in hohe Ausgaben zu stürzen?

„Schau“, sagt der Grillmeister meines Vertrauens: Selbst die besten Freunde seien unzuverlässig geworden, was Zu- und Absagen betrifft. Schon vor der Pandemie war die Planbarkeit schwierig – späte Zusagen, knappe Absagen – aber nun sei noch das Killerargument Corona dazugekommen. Früher hieß es bei Absagen in letzter Minute: „Der Babysitter ist krank“ oder „Magen-Darm“, und beide Seiten wussten, dass dies vorgeschoben war. Wer sagt schon gern, dass sie todmüde ist, sich gerade gestritten hat oder einfach nur im Pyjama auf dem Sofa sitzen will?

Nun heißt es „Corona-Verdacht“, und alle sind froh, dass jemand so vernünftig ist, sich nicht den anderen zuzumuten. Und deshalb, sagt der Gastgeber, kaufe er keine Mengen an Fleisch mehr ein. Die Eisfächer seien bereits voll. Irgendwer muss jetzt einmal die Würstel essen. Ich bring den Senf mit.

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