Testfahrt

ID.Buzz: Ein Bus für (vermögende) Hippie-Nachfahren

Der elektrische ID.Buzz zieht im umweltbewussten Kopenhagen viele Blicke auf sich.
Der elektrische ID.Buzz zieht im umweltbewussten Kopenhagen viele Blicke auf sich.VW
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Lang angekündigt – und solide abgeliefert. Die erste Ausfahrt mit dem elektrischen ID.Buzz mundet: Mehr Platz als gedacht, und das echte Bus-Fahrgefühl schummelt sich zurück.

Hätte es Elektro-Antrieb im Summer of 69 bereits gegeben, wären die Woodstock-Besucher wohl schon damals elektrisch angereist. Umwelttechnisch hätte das seine Vorteile gehabt, wenn man sich das Straßenverkehrsaufkommen rund um das Festival vorstellt.

Erstmals sind die Rücklichter bei einem VW-Bus durch einen Lichtbalken verbunden.
Erstmals sind die Rücklichter bei einem VW-Bus durch einen Lichtbalken verbunden.VW

53 Jahre später steht das einstige Auto der Hippie-Bewegung tatsächlich unter Strom. Na ja, nicht ganz. Mit dem alten Bulli hat der ID.Buzz nicht mehr viel zu tun. So spartanisch wie T1 und T2 in den 1950er- und 1960er-Jahren unterwegs waren, könnten Autos heute allein schon aus Sicherheitsgründen nicht mehr gebaut werden. Hinzu kommen länderspezifische Auflagen für die Technik, etwa die Kameraposition am unteren Ende der Windschutzscheibe (in Nordamerika muss die Kamera von den Wischern gereinigt werden können).Den VW T1 quasi neu aufzulegen, war also unmöglich. Neu geboren ist allerdings der Buzz – ein Fahrzeug, das zumindest abstrakt mit dem Ur-Bus in Verbindung steht. Der rundliche Buzz mit seinen karikaturistischen Scheinwerfer-Augen hätte wahrscheinlich auch Individualisten der Sixties gefallen. Auch ohne Flower-Power-Bemalung.

Offenbar instagrammable

Ein auffälliger Zeitgenosse, instagramable allemal! Er sorgt für durchgängig positive Reaktionen am Gehsteig. Die Vorbestellungen sprechen wohl für das Design (der ID.Buzz ist für die nächste Zeit bereits ausverkauft): Rein optische Entscheidungen, denn Fahrberichte gab es bislang keine. Höchste Zeit, den Buzz, der 2017 vorgestellt wurde, endlich zu fahren.

Bei den Eindrücken sind der erste und letzte bekanntlich die ausschlaggebenden. Auf diesen psychologischen Effekt hat wohl auch das Marketing von VW gesetzt. Denn der erste äußerliche Eindruck, den man beim Einsteigen mitnimmt, setzt sich genauso im Inneren fort. Helle Farben am Armaturenbrett, auf den Sitzen, am Himmel. Die Farbkombination Beige und Gelb innen, wo gibt's so was? Beim Aussteigen wird der letzte Eindruck inszeniert. Der markenbekannte Jingle ertönt und ruft das soeben Erlebte nochmals in Erinnerung.

Die Bezeichnung Gaspedal verwirrt schon heute Fahrschüler in elektrischen Gefährten. Deswegen macht hier ein aufgezeichnetes „Play“-Dreieck das Gaspedal zum Playpedal, daneben die Pause-Taste. Und drückt man Play, zieht der Buzz auch direkt an. Etwas sportlicher als beim Plug-in-Vorgänger. Der Verbrauch bei der Testfahrt, über den Tag verteilt, pendelt sich bei 18 bis 19 Kilowattstunden/100 km ein. Für die Größe und knapp zweieinhalb Tonnen Gewicht okay. Gesamtreichweite des 77-kWh-Akkus: 420 Kilometer nach WLTP. Bei optimalen Bedingungen kommt uns das plausibel vor.

Heckmotor, wie beim Urbulli

Die zweite Sitzreihe lässt sich nach vorne schieben, oder nach hinten lehnen, wie ein Flugzeugsitz.
Die zweite Sitzreihe lässt sich nach vorne schieben, oder nach hinten lehnen, wie ein Flugzeugsitz.VW

VW ID.Buzz Pro

Aufgeladen wird der Bus von fünf bis 80 Prozent in 30 Minuten. Ein kleinerer Akku soll nachgereicht werden. Der 150 kW/204 PS starke Elektromotor sitzt wie bei den anderen ID-Kollegen im Heck, eine der wenigen Parallelen zum T1. Dass der Buzz „bilanziell CO2-neutral“ sein soll, erklären die Hannoveraner etwa mit Ökostrom, der bei der Produktion der Batterien zum Einsatz kommt.

Trotz der etwas kleineren Gesamtdimensionen kommt einem die Sitzposition Bus-ähnlicher vor als im Multivan (T7). Mit den elektrisch verstellbaren Sitzen kann man die Sitzfläche und -lehne spürbar modellieren. Platz bietet der Buzz innen mehr, als er von außen vermuten lässt. Auf den knapp drei Meter langen Radstand sind fünf Plätze aufgeteilt. So lässt sich die zweite Reihe weit nach vorn rücken, um zum Beispiel ganz hinten Möbel einzuquartieren, sowie wie ein Liegesitz nach hinten lehnen, weil kein Passagier dahinter genervt wird. Die Siebensitzer-Variante und der längere Buzz XL sollen 2023 kommen.Sitzbezüge, Dachhimmel sind tierhautfrei – ein (kleiner?) Teil dieses Materials wird aus PET-Flaschen und Plastikmüll hergestellt. Überall sind Miniatur-Buzz-Symbole verteilt, passt zur comichaften Erscheinung des Busses. Auf der Heckscheibe reitet ein Mini-Buzz auf einer Surfwelle, beim Wischen verwandelt sich die Welle in einen Regenschirm.

Überraschend ist der kurze Wendekreis. Den klassischen „Chicago“ (Handbrake-Turn, in dem Fall ohne Handbrake, weil diese elektrisch) meistert der 4,70 Meter lange Buzz fast wie ein Golf. Plötzlich erscheint ein nachfahrender Buzz im Rückspiegel, beim Anblick der Front wird man kurzfristig in einen Disneyfilm gebeamt. Und das ist genau der Clou. Eine Mischung aus Zeichentrick, Hippie-Farben und dem Gefühl, etwas sauberer unterwegs zu sein.Maße L/B/H 4712/1985/1950 mm.
Radstand 2988 mm. Leergewicht 2480 kg. Kofferraum 1121 Liter.
Antrieb Permanenterregte Synchronmaschine (PSM) an der Hinterachse, 150 kW/204 PS, Drehmoment max. 310 Nm.
Batteriekapazität 77 kWh netto.
Ladeleistung AC/DC max. 11/170 kW.
0–100 in 10,4 sec. Vmax. abgeregelt bei 145 km/h.
Reichweite im Test: 200 km gefahren, 210 km auf der Anzeige verblieben.
Preis ab 64.581 Euro.

(Die Presse Print-Ausgabe, 09.09.2022)

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