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Die Zukunft setzt auf Glokalisierung

Das Podium: Theresa Imre, Christiane Noll, Stefan Borgas, Dagmar Koch und Eva Komarek.
Das Podium: Theresa Imre, Christiane Noll, Stefan Borgas, Dagmar Koch und Eva Komarek.(c) Caio Kauffmann
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19. Country Risk Conference. „Zwischen Abhängigkeit und Unabhängigkeit“, lautete das diesjährige Thema. „Kommt nach dem Social Distancing das Global Distancing?“

Am 6. September 2022 fand im Apothekertrakt in Schloss Schönbrunn die 19. Coface Country Risk Conference statt. 2021 wurde über die Learnings der Coronakrise diskutiert. Die Prognosen für 2022 waren optimistisch, aber die hohe Inflation, getrieben durch die steigenden Energiepreise, bremst den wirtschaftlichen Aufholprozess nach der Pandemie. „Vom Ukraine-Konflikt über Inflation bis zur Klimakrise – es gibt weiterhin viel Potenzial für Learning“, sagte Dagmar Koch, Country-Managerin Coface Österreich, die gemeinsam mit Jaroslaw Jaworski, CEO Central and Eastern Europe, das zahlreich erschienene Publikum begrüßte. „Die Zukunft hat viele dunkle Wolken“, so Jaworski und sprach damit u. a. Lieferketten und Energiepreise an. Überall sind Machtspiele zu beobachten und einhergehend die Frage: Hat die Globalisierung ausgedient? Ist Regionalität das neue global?
„Wir haben über Jahrzehnte ein Grundvertrauen in Globalisierung entwickelt, das in den letzten Jahren Risse bekommen hat und durch Pandemie und den russischen Angriffskrieg zusätzlich erschüttert wurde“, sagte Martin Kocher, Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, in seiner Videobotschaft. Die große Unsicherheit besteht vor allem in der weiteren Gasversorgung. Hier ortet der Minister die Reorientierung auf lokale Produktion als Erfolg. Wobei keine Abschottungspolitik zu betreiben sei. „Als offene Volkswirtschaft profitieren wir stark von unseren Handelsbeziehungen.“ Ziel müsse sein, Energieimporte zu diversifizieren, neue strategische Partnerschaften aufzubauen und Einsparungspotenziale zu forcieren. Es werde auch notwendig sein, Schlüsselressourcen verfügbar zu machen und Schlüsselindustrien hier anzusiedeln. Dazu braucht es nationale und europäische Anstrengungen.
Die gegenwärtigen Herausforderungen bringen eine anhaltende Unsicherheit und schwierige Planung für die Zukunft. „Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft“, sagte Dagmar Koch. „Es braucht eine neue Art der Verbundenheit: gloKal, heterogen, dezentral und konnektiv. Die Basis dazu ist, dass wir zu einer gemeinsamen Wahrheit finden.“

Risk Assessment

Christiane von Berg, Head of Economic Research Coface Northern Europe & Belgium und Grzegorz Sielewicz, Head of Economic Research Coface Central & Eastern Europe, unternahmen in ihrem Risk Assessment „Around the world in 25 minutes“ eine Rundreise aus Risikoperspektive um die ganze Welt. „Viele Länder, vor allem in Europa, erfuhren ein Downgrading in der Risikobewertung“, sagte von Berg. Österreich wurde von A2 auf A3 herabgestuft und teilt dieses Schicksal mit vielen Staaten. 162 Länder wurden bewertet. Es gibt aber nicht nur Verlierer. Zu den Gewinnern zählen etwa Angola und Brasilien. In Europa drücken vor allem die Preisentwicklungen das Wachstum – die Stagflation.

Christiane von Berg, Head of Economic Research Coface Northern Europe & Belgium, und Grzegorz Sielewicz, Head of Economic Research Coface CEE.
Christiane von Berg, Head of Economic Research Coface Northern Europe & Belgium, und Grzegorz Sielewicz, Head of Economic Research Coface CEE.(c) Caio Kauffmann

„Kurzfristige Zukunftsprognosen über die wirtschaftliche Weiterentwicklung sind unter den aktuellen Herausforderungen besonders schwierig“, gab Sielewicz zu. „Es wird auf die Gasreserven und -versorgung in diesem und dem nächsten Winter ankommen.“ Österreich befinde sich hier in einer sehr schwierigen Situation.

Der aus Ungarn stammende öster-reichische Publizist Paul Lendvai.
Der aus Ungarn stammende öster-reichische Publizist Paul Lendvai.(c) Caio Kauffmann

In seinem Impulsvortrag zum Thema: „Der Mythos vom ‚starken Mann‘ und die Kraft der Demokratie“, versuchte Publizist Paul Lendvai die sozioökonomischen und politischen Entwicklungen in einem größeren historischen Kontext zu erklären und so die Ausgangsbasis dafür zu schaffen, einen Blick in die Zukunft zu wagen. Ähnlich wie die Coface-Experten sah er wenig Anlass zu purem Optimismus und knüpfte seine Hoffnungen an die richtigen Entscheidungsträger, die zu einem gesunden Maß an Kollektivismus und Individualisierung beitragen.
In der anschließenden Keynote „Globalisierung der Zukunft: Wandelbares Paradoxon“ zeigte Zukunftsforscher und Trendforscher Tristan Horx provokante Thesen und mutige Visionen auf. Das Publikum konnte dadurch besser verstehen, wie Megatrends entstehen und dass sich zu jedem Trend ein Gegentrend entwickelt und sich daraus Mischformen ergeben – wie etwa „gloKal“, die Balance aus Global und Lokal.

Zukunftsforscher und Trendforscher Tristan Horx sprach über die Entwicklung der Megatrends wie Globalisierung und Digitalisierung.
Zukunftsforscher und Trendforscher Tristan Horx sprach über die Entwicklung der Megatrends wie Globalisierung und Digitalisierung.(c) Caio Kauffmann

Stärker diversifizieren

Höhepunkt der Coface Conference bildete die Podiumsdiskussion „Zwischen Abhängigkeit & Unabhängigkeit – das Zusammenspiel der Globalisierung und der neuen Regionalität“. Eva Komarek von der Styria Media Group begrüßte auf dem Podium Dagmar Koch, Country-Managerin Coface Österreich, Christiane Noll, Geschäftsführerin Avanade, Theresa Imre, Geschäftsführerin markta GmbH, und Stefan Borgas, Vorstandsvorsitzender RHI Magnesita. RHI ist als globales, energieintensives Unternehmen von den aktuellen Entwicklungen besonders schwer betroffen. „Eine Veränderung ist unvermeidbar. Es muss ein Weg hin zur intelligenten Globalisierung sein“, sagte Borgas. „Denn die Spezialisierung ist nicht überall gleich und die Gesamtkostenrechnung wird wichtig.“ Sie inkludiert auch Energiekosten, CO2-Ausstoß. „Wird das vernünftig bepreist, werden in Europa hergestellte Produkte für den europäischen Kunden günstiger als Waren aus Asien.“ Aber auch der umgekehrte Weg trifft dann ein und beim Export aus Europa wird die Nachfrage nachlassen. „Es wird darauf ankommen, agiler zu sein.“
Als Verfechterin des Themas „GloKal“ plädierte Koch für eine Kombination aus Globalisierung und Regionalität. „Wichtig ist, nicht auf Singlesourcing zu setzen. In der Pandemie haben wir schmerzhaft gesehen, dass es nicht der Weisheit letzter Schluss ist.“ Viele Unternehmen würden daran arbeiten, resilienter zu werden und ihre Sourcing-Kanäle zu diversifizieren, aber in der Praxis stelle sich das teilweise als enorm herausfordernd heraus.
Beim „freien Welthandel“ unterschieden sich die Meinungen der Diskutanten. Borgas sieht freien Welthandel als Freiheit. „Freiheit ist das Grundprinzip der Demokratie.“ Je mehr Branchen und Güter durch Lobbyisten geschützt werden, desto stärker verzerren sich ökonomische Ströme und die Freiheit werde beschnitten. Koch widersprach: „Wenn man sich rein marktwirtschaftlich orientiert und man nur nach den günstigsten Waren geht, dann kann das zu einer großen Abhängigkeit von einem Provider führen.“ Das Gas aus Russland wäre das beste Beispiel dafür. „Daher gibt es hier die Notwendigkeit einer diversifizierten Betrachtung.“ Für Borgas ist aber entscheidend, die Gesamtkosten im Auge zu behalten. Dann würden nämlich ganz andere Player als „günstiger“ auf den Plan treten.
Markta-Gründerin Imre kritisierte, dass man die Verantwortung und die sozialen ökologischen Standards mit einer Gesamtkostenrechnung nicht auf ein Level bringen könne. „Wir haben im Endeffekt die Problematik der höheren Lohnkosten und höheren Arbeitsstandards. Wenn man nur auf die Kosten achtet, lagert man die Verantwortung mit Globalisierung aus“, so die Volkswirtin. Klüger wäre es, nachzudenken, wie man mehr Verantwortung in die Entscheidungen bringt. „Daher muss man sogar mehr regulieren“, so Imre. „Der freie Markt ist nur eine Spielwiese, wie sie sich aufgrund von Machtstrukturen ergeben hat.“ Es geht darum, gleiche Spielregeln für alle zu schaffen.

Konkurrenzfähig bleiben

In jedem Fall ist in der Globalisierung die Ausschau nach internationalen Fachkräften leichter. Noll, Geschäftsführerin von Avanade, einem führenden Anbieter von digitalen Lösungen, sucht ständig kompetente Fachkräfte, vor allem bei der Digitalisierung. „Wir können es uns gar nicht leisten, die Internationalisierung zu negieren. Wir brauchen internationale Fachkräfte, damit sich auch das Unternehmen weiterentwickelt.“ Internationalisierung hat somit direkten Impact.
Alles steht und fällt mit den Entscheidungen. Alle Diskutanten waren sich einig – und meinten wie zuvor Paul Lendvai, dass es vor allem auf die Kompetenz der Entscheidungsträger ankommen wird, wie resistent unsere Wirtschaft gegen Krisen ist. „In der Vergangenheit ist dabei viel falsch gelaufen aufgrund von zu einfachen Entscheidungen“, bedauerte etwa Noll. „Die Wirtschaft wird sich aufgrund der Entscheidungsfindung breiter aufstellen müssen.“ Große Hoffnungen knüpft die Avanade-Geschäftsführerin an die nächste Generation.
Um in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben, müssen Ziele klarer definiert werden. „Wir sollten uns mehr Zeit nehmen, um herauszufinden, was wir wollen, und weniger Zeit mit dem verschwenden, was wir nicht wollen“, brachte es Manager Borgas auf den Punkt. „Denn Nicht-Wollen zementiert den Status quo.“

INFORMATION

Die Podiumsdiskussion ist eine Kooperation von „Die Presse“ und Coface. Mit finanzieller Unterstützung.


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