Was sagt die Hautfarbe meines Personal Roboter über mich aus?
Vorabdruck

Lydia Mischkulnig: Nur das Gefühl ist echt

Es gibt Menschen, die lieber mit Puppen als mit Menschen leben. Die wollen gar nicht, dass diese sich bewegen, dauernd die Mimik ändern und zurückreden. Vorabdruck aus dem Erzählband „Die Gemochten“.

Die Sekretärin versteht ausgezeichnet Englisch. Meine E-Mails hat sie nur auf Japanisch beantwortet. Nun stehe ich in ihrem Büro. Sie hebt die Hand und geleitet mich weiter. Vor einem Filmplakat bleibt sie stehen, dreht sich mit einer leicht angedeuteten Verbeugung um. Ihr Nicken ist zart und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Ankündigung des Hollywood-Blockbusters. Der Name ihres Chefs findet sich unter den Credits: als Berater für Robotik. Auch im Film „Sayonara“ ist die Hauptrolle mit einem Androiden besetzt, den er entwickelt und gebaut hat. Erstaunlicherweise verkörpert der Android eine Frau. Ich wollte den Experten Hiroshi Ishiguro befragen, wie er in seiner Programmierkunst die Geschlechter der Automaten unterscheidet. Sind ihre Innenleben gleich und nur die Silikonhaut und ihre Ausbuchtungen geschlechtlich differenziert? Daraus ergibt sich die nächste Frage nach der Farbe der Haut, die die Maschinen übergezogen bekommen. Wer entscheidet sich für welche?

Und aufgrund welcher Motive? Was sagt die Hautfarbe meines Personal Roboter über mich aus? In „Sayonara“ hat der Roboter die Gestalt einer japanischen Frau mit langen Haaren. Der Roboter ist eine Sterbebegleiterin und sitzt am Bett einer weiblichen Europidin. Sie wird der kaukasischen Menschengruppe zugeschrieben, in atomverseuchter Zone. Eine interessante Beziehung zwischen einem japanischen Roboter und einer Vertreterin des Menschengeschlechts, die mit unüblich gewordenen Sammelbezeichnungen für Menschentypen klassifiziert wird.
Die anrührende Szene zwischen der Sterbenden und der stumpf geradeaus sehenden Puppe strahlte Schönheit und Stille aus. Diese würdevolle Atmosphäre in der Stunde des Todes mutete ergreifend an.



Der Roboter zeigte durch seine maschinenhafte Distanz Gefasstheit und spiegelte die Haltung wider, wie man einem nahen Menschen zur Seite stehen möchte, der in Würde und Ruhe, vielleicht nach langer Krankheit, langsam verdämmert. Im Film erschien die ewige Ruhe durch die tote Materie des Roboters vorweggenommen. Ich befragte meine eigene Fähigkeit, in der Ausdruckslosigkeit des Robotergesichtes Trost zu finden. Er wirkte fortschrittsfroh, selbstbewusst und geduldig, und das beruhigte, es gab keine Eile beim Sterben.

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