Philosophie

Wo Hannah Arendt „ungeheuer danebenlag“

Little Rock, 1957: Die ersten schwarzen Schülerinnen im gemischten Unterricht, ein wütender Mob.
Little Rock, 1957: Die ersten schwarzen Schülerinnen im gemischten Unterricht, ein wütender Mob. AP
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Tractatus-Preisträgerin Marie Luise Knott rekonstruiert eine Denk-Begegnung der Jüdin im US-Exil mit dem schwarzen Literaten Ralph Ellison. Und zeigt: Über Identität und Rassismus wurde damals souveräner diskutiert als heute.

Niemand bleibt verschont: Auch Hannah Arendt, die lang zur Kultfigur stilisierte politische Philosophin, ist vor dem Rassismus-Tribunal gelandet. Die Anklageschrift ist dünn, doch nicht ganz leicht zu entkräften: Es gibt da zwei despektierliche Formulierungen über angeblich „kulturlose“ Afrikaner aus dem Totalitarismus-Buch, vor allem aber einen Artikel von 1959, in dem sie mit schrägen Argumenten die „forcierte Aufhebung“ der Rassentrennung an den Schulen der Südstaaten infrage stellte. Der schwarze Schriftsteller Ralph Ellison kritisierte sie dafür in einem Interview sechs Jahre später scharf. Arendt schrieb ihm einen Brief, in dem sie Abbitte leistete. Damit könnten wir das Thema doch zu den Akten legen, oder? Warum noch ein ganzes Buch darüber schreiben, warum es lesen? Weil es sich wirklich lohnt.

Marie Luise Knott gelingt es, politische Hinter- und soziale Abgründe auszuleuchten. Sie führt zwei Denkwege, die sich damals nur streiften, behutsam zusammen. Und zeigt dabei wohltuend unaufgeregt: All die überhitzten Debatten über Identitätspolitik und strukturellen Rassismus, die als Importware aus den USA bei uns gelandet sind, wurden dort schon zu Zeiten der Bürgerrechtsbewegung geführt – und führten zu exemplarischen Antworten. Für diese Rekonstruktionsarbeit wurde Knott vorige Woche der Tractatus-Essaypreis zugesprochen. Beim Philosophicum Lech wird er der in Berlin lebenden Autorin verliehen.

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