Der Sarg mit dem Körper von Elizabeth II. wurde am Sonntag vom Schloss Balmoral vorerst nach Edinburgh überstellt. Es war eine Art Triumphzug, Hunderttausende Menschen säumten die Fahrtstrecke.
Edinburgh/London. Schottland hat etwa 5,5 Millionen Einwohner, viel weniger als London. Als der Leichnam von Elizabeth II. am Sonntag vom Schloss Balmoral ins (Luftlinie) etwa 120 Kilometer entfernte Edinburgh im Süden gefahren wurde, im langen Umweg über Aberdeen und Dundee an der Küste in einer schwarzen Mercedes-Limousine mit gläsernem Aufbau, stand entlang der rund 280 Kilometer langen Strecke geschätzt der Großteil davon Spalier. Und man sah wieder, welch große Emotionen und starken Symbolismus ein traditionsstarkes Land wie das Vereinigte Königreich entwickeln kann. In den kommenden Tagen bis zumindest zum Begräbnis der Queen am 19. September wird das wohl nicht anders sein.
Die Fahrt dauerte etwa sechs Stunden. Immer wieder warfen Menschen Blumen auf den Wagen mit dem Sarg. Der Kernkonvoi bestand aus sieben schwarzen Pkw, angeführt von einem Motorrad und gefolgt von weiteren Fahrzeugen. Die BBC verfolgte die Fahrt mit einer Kameradrohne, die eindrückliche Bilder der Route und der weiteren Gegend lieferte.
Elizabeth II. wird nach einer Zwischenstation im Holyroodhouse-Palast in Edinburgh am Montag in der St.-Giles'-Kathedrale aufgebahrt und am Dienstag per Flugzeug nach London überführt. Dort wird der Sarg vier Tage lang in der Westminster Abbey aufgestellt, wobei die Menschen dort Abschied von der Queen nehmen können. Als ihre Mutter Elizabeth (1900–2002) dort aufgebahrt war, kamen mehr als 200.000 Menschen, die sich dafür stundenlang angestellt hatten. Es wird in diesem Fall nicht anders ein. Das Begräbnis wird letztlich am 19. September (Montag) in Windsor stattfinden.
Der Stone of Scone reist nach London
Die Gravitätät der Ereignisse rund um den Tod der Queen und den Amtsantritt von Charles III. wird auch durch aus kontinentaler Sicht scheinbar nebensächliche Episoden deutlich. So wurde Charles am Sonntag im fernen Australien im Parlament in Canberra feierlich zum neuen Staatsoberhaupt ernannt. Die Proklamation nahm Generalgouverneur David Hurley vor, die britische Hymne erklang, vor dem Parlament hatten sich Tausende Menschen versammelt. In Australien ist allerdings die Debatte um eine Umwandlung zur Republik neu aufgeflammt. Die Schotten wiederum werden zur Krönung des neuen Königs den legendären Stone of Scone nach London transportieren. Das ist ein Sandsteinblock, der schon bei den Urschotten (Pikten) und bis ins 13. Jahrhundert eine zeremonielle Rolle bei der Krönung von Königen hatte. 1296 wurde er von siegreichen Engländern quasi gestohlen und in die Westminster Abbey gebracht. Erst 1996 kam er zurück nach Schottland und liegt seither im Schloss von Edinburgh. Der Sage nach diente er einst dem Enkel von Abraham als Kopfkissen.
Indes wurde bekannt, dass der Regierungschef des karibischen Staats Antigua und Barbuda (ca. 100.000 Einwohner) das Land zu einer Republik machen will. Charles III. wäre dann nicht mehr König, es soll eine Volksabstimmung geben. Ein Austritt aus dem vorteilhaften Commonwealth-Staatenbund ist indes nicht vorgesehen. (ag./wg)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2022)