Nach den russischen Gebietsverlusten in der Ukraine ringen Regierung und „Experten“ um Erklärungen. Der Kreml versucht, Normalität vorzugaukeln: Und spricht von einer „Umgruppierung“ der Truppen.
Plötzlich ist „Krieg“ im russischen Staatsfernsehen. Die „militärische Spezialoperation“, wie Russland seinen Überfall auf die Ukraine seit Februar euphemistisch bezeichnet, hat sich fast unmerklich aus dem Wortgebrauch der Propagandisten zurückgezogen. „Wojna“, sagt ein Soldat von der Front im Donbass, den ein Reporter des Staatssenders Rossija 1 in seinem Beitrag zeigt. „Wojna“, meint ein Fraktionsvorsitzender der Duma in einer Talkshow des staatsnahen Senders NTW: Krieg.
Ein Wort, das zu gebrauchen in Russland dieser Tage Strafermittlungen nach sich ziehen könnte. Doch seit der russischen Defensive in der Ukraine am vergangenen Wochenende ringt das Land samt seinen ultrapatriotischen Politikern, nationalistischen Militärexperten und gehässigen Fernsehmoderatoren nach Erklärungen. „Lebensbedrohlich“, „extrem gefährlich“, „Krieg ist eben Krieg“, heißt es in den Blogs und den TV-Sendungen.
Präsident Putin schweigt
Von Niederlage und Rückzug sprechen sie freilich nicht. Dafür hat das russische Verteidigungsministerium andere Euphemismen in die Welt gesetzt. Im Gebiet Charkiw finde eine „Operation zur Verringerung und organisierten Verlegung der Truppen“ statt, sagt der Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow wie üblich roboterhaft. „Umgruppierung“ ist das neue Schlagwort, wenn es um die russische Strategie an der Front geht, die natürlich nicht „Front“ heißt. Diese sei nötig, um den Donbass „zu befreien“.