Humanitäres Engagement

Manuela Ertl: Helfen, weil man gebraucht wird

(c) Caio Kauffmann
  • Drucken

2015 von Manuela Ertl mitgegründet, versorgte der ehrenamtliche Verein Train of Hope heuer hunderttausend ukrainische Flüchtlinge.

Wien. Manuela Ertl kann sich noch gut an den ersten Tag im Wiener Ankunftszentrum erinnern. „Wir waren noch am Aufbauen, da ist plötzlich ein Mann vorgefahren, mit zwölf Kindern im Gepäck.“ Auf den Mann, der in Windeseile ein Kinderheim evakuiert hatte, sollten bis dato mehr als hunderttausend ukrainische Flüchtlinge folgen. Sie alle sind von dem ehrenamtlichen Verein Train of Hope versorgt worden.

Innerhalb weniger Tage hat Train of Hope gemeinsam mit der Stadt Wien in einer umfunktionierten Sporthalle das Ankunftszentrum in Wien-Leopoldstadt eröffnet. Flüchtlinge, die in Wien ankommen, werden dort mit dem Nötigsten versorgt: Es gibt Essen, ärztliche Betreuung, Hygieneartikel, Kleiderspenden und erste Informationen zur Orientierung in Wien.

Organisiert wird all das von Freiwilligen. Manchmal sind es 30 pro Tag, an anderen Tagen bis zu 100 Personen, die sich die Schichten aufteilen. „In den vergangenen sechs Monaten haben sich mehrere tausend Menschen engagiert“, sagt Ertl.

Die ebenfalls ehrenamtliche Krisenkoordinatorin hat den Verein im Jahr 2015 mitgegründet. Damals, als die letzte große Flüchtlingsbewegung Österreich vor enorme Herausforderungen stellte. Train of Hope entstand als Zusammenschluss all jener, die als Ersthelferinnen zum Hauptbahnhof kamen, um die ankommenden Schutzsuchenden zu betreuen. Mittlerweile ist es ein gut verknüpftes, weitreichendes Netzwerk, das in Windeseile hunderte Helfer auf die Beine stellen kann.

Schon 2015 sei es die Zivilgesellschaft gewesen, die eingesprungen sei, als die Behörden überfordert gewesen seien, sagt Ertl. Auch heuer: „Es hat uns schon überrascht, wie wenig die öffentliche Seite auf so eine Situation vorbereitet war“, sagt Ertl. Dass zu Beginn die Zivilgesellschaft einspringe, mache aber durchaus Sinn, findet sie. Man sei agiler, und vielen sei es eben auch ein Bedürfnis, zu helfen.

„Aber der Verwaltungsapparat sollte die Monate, die er sich erkauft hat, auch nutzen.“ Das sei nicht geschehen, sagt Ertl. Den Geflüchteten fehle es angesichts der Teuerung an Geld, viele würden wiederholt ins Ankunftszentrum kommen, weil sie von Spenden abhängig sind. Gleichzeitig gehen angesichts der Teuerung auch die Spenden drastisch zurück, erzählt Ertl. Und Menschen, die sich monatelang ehrenamtlich einsetzen, würden ohne Anerkennung „verheizt“. „Wir kompensieren das Versagen des Staates“, sagt Ertl.

Train of Hope, der sich ausschließlich durch Spenden finanziert, hat sich als eine der wenigen Interessensvertretungen für die ukrainischen Flüchtlinge in Österreich etabliert. Auch die integrative Arbeit müsse nun beginnen, sagt Ertl. „Auch wenn der Krieg irgendwann endet, es werden viele in Österreich bleiben.“ Derzeit sei man auf der Suche nach einer Immobilie, um ein „Willkommenszentrum“ für integrative Zwecke aufzubauen. Die Arbeit der Freiwilligen von Train of Hope ist also noch lange nicht getan. „Es ist relativ einfach: Wir werden so lange weitermachen, wie wir gebraucht werden“, sagt Ertl.

Das Voting für „Österreicher:innen des Jahres“ finden Sie unter: www.diepresse.com/austria22

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.