Rede zur Lage der EU

Von der Leyen: "Das ist ein Krieg gegen unsere Zukunft"

Ursula von der Leyen bei ihrer Rede zur Lage der EU.
Ursula von der Leyen bei ihrer Rede zur Lage der EU.(c) Reuters
  • Drucken
  • Kommentieren

Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gibt sich überzeugt, dass sich die Ukraine gegen Russland behaupten kann. „Putin wird scheitern“, sagt sie in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union. Von der Leyen wird noch heute in die Ukraine reisen.

Russland kann nach den Worten von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf absehbare Zeit nicht mit einer Aufhebung der EU-Sanktionen rechnen. "Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, dass die Sanktionen von Dauer sein werden", sagte die Deutsche am Mittwoch bei ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union in Straßburg. Moskau trage die Verantwortung dafür, dass die russische Wirtschaft den Anschluss verliere.

Von der Leyen war sich sicher, dass sich die Ukraine gegen Russland behaupten kann. Russlands Präsident Wladimir "Putin wird scheitern, die Ukraine und Europa werden sich durchsetzen", sagte sie vor dem Europäischen Parlament. Die Strafmaßnahmen der EU gegen Russland seien die schärfsten Sanktionen, die die Welt je gesehen habe. "Dies ist der Preis für Putins Spur des Todes und der Vernichtung."

Von der Leyen reist erneut in Ukraine

Zur Unterstützung der Ukraine will von der Leyen erneut in das von Russland angegriffene Land reisen. Sie werde noch an diesem Mittwoch für Gespräche mit Präsident Wolodymyr Selenskij nach Kiew reisen, sagte die deutsche Politikerin in Straßburg. Man müsse darauf hinarbeiten, dass die Ukraine einen Zugang zum europäischen Binnenmarkt habe und umgekehrt.

Zugleich sagte sie der Ukraine eine Soforthilfe von 100 Millionen Euro zum Wiederaufbau von Schulen zu. "Denn die Zukunft der Ukraine beginnt in ihren Schulen", sagte von der Leyen. Die Angriffe Russlands haben ihren Angaben nach mehr als 70 Schulen in der Ukraine zerstört. Der Wiederaufbau des Landes werde massive Ressourcen benötigen. "Wir werden uns auch auf lange Sicht engagieren", kündigte von der Leyen an.

Ehefrau von Selenskij anwesend

"Unser Binnenmarkt ist eine der größten Erfolgsgeschichten Europas. Nun ist es an der Zeit, ihn auch für unsere ukrainischen Freundinnen und Freunde zu einer Erfolgsgeschichte zu machen", sagte von der Leyen. Im Plenum des EU-Parlaments war auch Selenskijs Ehefrau Olena Selenska anwesend. Sie wurde mit viel Applaus und warmen Worten begrüßt. Von der Leyen bedankte sich für Selenskas Einsatz. Sie hätte ihrem Volk im russischen Angriffskrieg eine Stimme und der ganzen Welt Hoffnung gegeben, sagte von der Leyen an Selenska gewandt. Von der Leyen und weitere Politikerinnen trugen gelbe und blaue Kleidung, die an die Nationalflagge der Ukraine erinnern und Solidarität zeigen sollte.

Es wäre bereits von der Leyens dritte Reise in die Ukraine seit Russland das Land am 24. Februar angegriffen hatte. Im April besuchte sie unter anderem den Kiewer Vorort Butscha, in dem kurz zuvor Kriegsverbrechen öffentlich geworden waren. Im Juni sprach sie mit Selenskij und Ministerpräsident Denys Schmyhal in Kiew über noch offene Punkte des ukrainischen EU-Aufnahmegesuchs. Mittlerweile haben die 27 EU-Staaten der Ukraine den Status als EU-Kandidat erteilt.

Von der Leyen lobt „Team Europa“

Zudem sagte sie, Europa sei seit dem ersten Tag an der Seite der Ukraine gestanden und werde dies auch auf lange Sicht tun. Mit Waffen, finanzieller Unterstützung und der Aufnahme von Flüchtlingen habe man dem Land geholfen. "Bisher hat das Team Europa finanzielle Hilfe von mehr als 19 Milliarden Euro bereitgestellt", sagte von der Leyen. Dabei sei militärische Unterstützung noch nicht mit eingerechnet.

Die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union müssen aber vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs damit rechnen, dass die nahe Zukunft schwer werde. "Die bevorstehenden Monate werden nicht leicht", sagte von der Leyen. "Weder für Familien, die nur schwer über die Runden kommen, noch für Unternehmen, die schwierige Zukunftsentscheidungen treffen müssen."

Es stehe nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Europa und die ganze Welt viel auf dem Spiel. "Wir werden auf die Probe gestellt werden", sagte von der Leyen. Russlands Krieg sei nicht nur ein Krieg gegen die Ukraine. "Dies ist ein Krieg gegen unsere Energieversorgung, ein Krieg gegen unsere Wirtschaft, ein Krieg gegen unsere Werte und ein Krieg gegen unsere Zukunft." Autokratie kämpfe gegen Demokratie. Sie sei fest davon überzeugt, dass man den russischen Präsidenten Putin mit Mut und Solidarität zum Scheitern bringen werde und Europa am Ende die Oberhand gewinne.

Übergewinnabgabe soll 140 Milliarden Euro bringen

Zur Entlastung der Verbraucher sollen übermäßige Gewinne von Energiefirmen in der EU künftig abgeschöpft und umverteilt werden. Von der Leyen kündigte einen Gesetzesvorschlag gegen die hohen Energiepreise an, der sowohl Produzenten von erneuerbarem Strom als auch Gas- und Ölkonzerne treffen würde. "Unser Vorschlag wird mehr als 140 Milliarden Euro für die Mitgliedstaaten bringen, um die Not unmittelbar abzufedern", sagte von der Leyen. Der Gesetzesvorschlag sieht von der Leyen zufolge vor, dass übermäßige Gewinne vieler Stromproduzenten an Verbraucher verteilt werden sollen, um sie bei den hohen Kosten zu entlasten.

Der Strompreis wird derzeit vom hohen Gaspreis getrieben und auch Produzenten von billigerem Strom - etwa aus Sonne, Wind, Atomkraft oder Kohle - können diesen zu den hohen Preisen verkaufen. Firmen, die Elektrizität nicht aus Gas herstellen, sollen einen Teil dieser Gewinne abgeben. Laut einem Entwurf sollen Einnahmen ab 180 Euro pro Megawattstunde an den Staat gehen. Aus diesem Geld sollten Entlastungsmaßnahmen finanziert werden.

Aber auch Gas- und Ölkonzerne sollten von der Leyen zufolge ihren Beitrag leisten über eine Krisenabgabe. Laut dem Entwurf sollen sie auf Profite des laufenden Jahres, die 20 Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre lagen, eine Solidaritätsabgabe von 33 Prozent zahlen.

Anlehnung zur Rede zur Lage der Nation in den USA

Die Stellungnahme von der Leyens ist an die Rede zur Lage der Nation angelehnt, die als eine der wichtigsten Reden des US-Präsidenten gilt. Im Anschluss an von der Leyens Rede ist eine Debatte mit den EU-Abgeordneten geplant. Für von der Leyen ist es die dritte Rede dieser Art. Die Deutsche ist seit 1. Dezember 2019 Präsidentin der Europäischen Kommission.

Zu den Aufgaben der Behörde gehört es, Vorschläge für neue EU-Gesetze zu machen und die Wahrung der Europäischen Verträge zu gewährleisten. Um die Einhaltung von EU-Recht sicherzustellen, kann sie zum Beispiel Klagen gegen Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof einreichen.

(APA/dpa/Reuters/AFP)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Leitartikel

Europa muss sich rüsten, falls ein neuer Trump an die Macht kommt

Die deutsche Waffendebatte kocht wieder auf. Die Sozialdemokraten bremsen – und untergraben so den Wunsch einer deutschen Führungsrolle für Europa.
A picture released on March 6, 2010 show
Sondertreffen

EU-Optionen in Putins Machtkampf um Gas

Rasant steigende Preise, Lieferausfälle: Putin spielt mit der EU Katz und Maus. Doch die EU-Energieminister versuchen gegenzulenken. Ein Überblick möglicher Maßnahmen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.