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Streit um Düngemittel-Deal: Bauern gegen Borealis

Die Preise für Stickstoffdünger haben sich in den vergangenen Monaten vervierfacht.
Die Preise für Stickstoffdünger haben sich in den vergangenen Monaten vervierfacht.Tim Graham/Getty Images
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Österreichs Landwirte wollen den Verkauf der Düngemittelsparte an die Tschechen verhindern – und rufen Öbag und Kartellwächter zur Hilfe.

Wien. Der Bauernbund erhöht den Druck auf OMV-Chef Alfred Stern und die Staatsholding Öbag. Die Landwirte stoßen sich am Verkauf der Linzer Düngemittelsparte der OMV-Tochter Borealis an die tschechische Agrofert-Gruppe. Sie fürchten um die Versorgung des Landes mit Dünger, Lebensmitteln und AdBlue, einem wichtigen Zusatzstoff für Dieselmotoren. Der 810 Millionen Euro schwere Deal wurde bereits im Juni unterzeichnet, bisher schlugen alle Versuche, das Geschäft doch noch zu stoppen, fehl.

„Alle reden von Versorgungssicherheit, und dann verkauft ein teilstaatliches Unternehmen ohne jede Not einen hochprofitablen Zweig, der die Versorgungssicherheit ganz Österreichs betrifft“, ärgert sich der niederösterreichische Bauernbund-Präsident, Stephan Pernkopf (ÖVP) – und holt sich für seinen Feldzug gegen den Verkauf juristische Verstärkung:

Einerseits wurde eine Berliner Anwaltskanzlei beauftragt, den Deal vor dem EU-Kartellgericht zu bekämpfen. Immerhin hätte das Unternehmen nach der geplanten Fusion einen Marktanteil von 70 bis 80 Prozent. Andererseits bestellte der Bauernbund ein Gutachten bei Verfassungsrechtler Heinz Mayer, um der Öbag klarzumachen, dass sie den Deal nicht ohne Weiteres abnicken könne. Die Staatsholding verwaltet den 31,5-Prozent-Anteil der Republik an der Borealis-Mutter OMV und ist auch im Aufsichtsrat prominent vertreten.

Das Öbag-Gesetz sei eindeutig, führte Mayer aus: Die Öbag – und ihre Vertreter im OMV-Aufsichtsrat – müssten das öffentliche Interesse, die Stärkung des Standorts und den Erhalt von Jobs höher gewichten als das Einzelinteresse des Unternehmens. Geht der Deal durch, könnte er nachträglich für unzulässig erklärt werden oder hohe Schadenersatzforderungen nach sich ziehen, warnte er. Wirtschaftliche Not für den Verkauf gibt es jedenfalls nicht: Die Düngemittelsparte der Borealis erwirtschaftete heuer im ersten Halbjahr 256 Mio. Euro Gewinn.

Droht ein Produktionsstopp?

Mit Sorge beobachten die Kritiker auch die Machenschaften des designierten Käufers in Deutschland. Dort hat Agrofert erst kürzlich aufgrund der hohen Gaspreise die Produktion bei seiner Tochter SKW Piesteritz in Sachsen-Anhalt eingestellt. Damit fällt der Bundesrepublik kurzfristig und völlig unerwartet einer der größten Hersteller von Stickstoffdünger und AdBlue aus. Fast alle Lkw und Traktoren fahren mit Diesel unter Einsatz von AdBlue. Mittlerweile hat SKW eine der beiden Produktionslinien wieder hochgefahren. Ob dort auch im vollen Umfang produziert wird, macht der tschechische Eigner jedoch vom Entgegenkommen der deutschen Politik abhängig. Nur wenn das Unternehmen von der Gasumlage befreit wird, sollen Dünger und AdBlue wieder hergestellt werden.

Ähnliche Situationen müssten in Österreich vermieden werden, weshalb Regierung und Öbag alles unternehmen müssten, um den Deal zu stoppen, so Pernkopf. Die Staatsholding selbst sieht kein großes Problem: „Aus Sicht der Öbag hat Agrofert als europäisches Unternehmen öffentlich und unmissverständlich eine Standortgarantie für Linz abgegeben und sich dazu bekannt, weiter in die Zukunft des Werks zu investieren und somit auch die Arbeitsplätze zu erhalten“, heißt es in einer Stellungnahme. „Aus diesen Gründen kann die Öbag die vorgebrachten Argumente gegen den Verkauf nicht nachvollziehen.“
Claus Raidl, Ex-Nationalbankpräsident und früherer Manager bei Böhler-Uddeholm, hält von der Standortgarantie der Tschechen wenig. Jeder Eigentümer würde im Zweifel den Rotstift zuerst bei ausländischen Akquisitionen ansetzen. Mit den Gewerkschaften im eigenen Land wolle man es sich zuletzt verscherzen, sagte er.

Ob das genügt, um Öbag und OMV noch umzustimmen, wird sich weisen. Ein erstes Gespräch zwischen Öbag-Chefin Edith Hlawati und Stephan Pernkopf ist für diese Tage avisiert.

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