Lebenslanges Lernen

Wo Anreize fehlen, sich weiterzubilden

Elf Prozent nie die Möglichkeit bekommen, ein Weiterbildungsangebot in Anspruch zu nehmen.
Elf Prozent nie die Möglichkeit bekommen, ein Weiterbildungsangebot in Anspruch zu nehmen.
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Neben dem Personalmangel haben Unternehmen große Schwierigkeiten damit, die eigenen Mitarbeitenden für Weiterbildungsangebote zu begeistern. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind gefordert, sich „lebenslanges Lernen“ nicht nur an die Fahnen zu heften.

Österreichs Unternehmer stehen vor großen Herausforderungen: Neben Arbeitskräftemangel, dem Teilzeit-Boom und steigender Energiekosten sehen Beschäftigte - trotz grundsätzlichem Interesse - kaum noch Kapazitäten dafür, sich weiterzubilden. Zum Leidwesen der Unternehmen: 91 Prozent der Arbeitgeber schreiben Fortbildungen eine sehr hohe oder hohe Wertigkeit zu. Im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von vier Prozent, wie das Wifi-Bildungsbarometer zeigt.

Hauptgrund dafür, keine Weiterbildung in Anspruch zu nehmen, ist auf Arbeitnehmerseite der Zeitmangel: 16 Prozent haben keine zeitlichen Ressourcen zur Verfügung, um weiterzulernen. Aber auch die Sorge davor, nicht mithalten zu können, ist groß: Jeder sechste hat Schwierigkeiten damit, überhaupt zu lernen. Während 14 Prozent bereits davon überzeugt sind, ausreichend qualifiziert zu sein, haben elf Prozent nie die Möglichkeit bekommen, ein Weiterbildungsangebot in Anspruch zu nehmen.

Nahezu jeder fünfte Angestellte - der am lebenslangen Lernen gehindert wurde - sieht keinen Bedarf dazu, sich weiterzubilden. So wird auch seltener die Initiative ergriffen: Im Vergleich zum Vorjahr haben sich zehn Prozent mehr Erwerbstätige nur auf Anordnung der Geschäftsführung dazu bereit gemeldet, persönliches Interesse steht mit 16 Prozent erst an zweiter Stelle. Damit einhergehenden Aufstiegschancen motivieren nur mehr 13 Prozent der Arbeitnehmer.

Viele sehen keine Vorteile für die eigene Karriere

Von den Erwerbstätigen, die keine Weiterbildung gemacht haben, erkennen 40 Prozent keinen Vorteil, um die Karriere voranzutreiben und 37 Prozent haben grundsätzlich kein Interesse daran, „ein Leben lang zu lernen“. Im Vergleich zum Vorjahr geben insgesamt zehn Prozent mehr an, dafür keine Zeit zu haben, da der Beruf „zu stressig ist“. Zusammengerechnet 54 Prozent führen beruflichen Stress oder fehlende Zeit im Privatbereich als Hindernis für eine Weiterbildung an - Im Vorjahr belief sich die Zahl auf rund 37 Prozent. 

Durch den Mangel an Kapazitäten ändere sich auch die Wertigkeit: Während im Juni vergangenen Jahres noch 55 Prozent so überzeugt waren, um lebensbegleitendes Lernen als sehr wichtig einzustufen, sind es im Vergleichszeitraum nur mehr 44 Prozent. Auch die persönliche Umsetzung leidet unter dieser Einstellung: War zwischen 2015 und 2021 noch ein Zuwachs von neun Prozent zu verzeichnen, gelang es dieses Jahr drei Prozent weniger, ihre Vorhaben umzusetzen.

Wenn es um die Form der Weiterbildung geht, tendieren 30 Prozent der Arbeitnehmer dazu, eine Mischung aus Präsenz- und Online-Kursen zu wählen. Der Anteil jener, die Weiterbildungskurse vor Ort bevorzugt, bleibt mit 38 Prozent höher. „Der persönliche Austausch mit Trainern und anderen Lernenden steht für viele derzeit wieder hoch im Kurs“, sagt Wifi-Institutsleiterin, Tatjana Baborek.

Die Anreize fehlen, um kontinuierlich weiterzulernen

Im Vergleich zu anderen Ländern, wie beispielsweise Schweden oder Finnland, schneide Österreich schlecht ab: Jede Dritte habe in den nordischen Ländern gemäß Eurostat in den vergangenen vier Wochen eine Weiterbildung absolviert. In Österreich habe es nur jeder Siebente geschafft, eine Fortbildung abzuschließen. „Künftig werden jene Standorte, die Arbeitskräfte-Engpässe am besten bewältigen können, die Nase vorne haben“, sagt Mariana Kühnel, Generalsekretärin in der Wirtschaftskammer Österreich, „Weiterbildung ist dafür ein wichtiger Schlüssel“.

Um Weiterbildung aktiv in den beruflichen Alltag zu integrieren, müsse es gelingen, „alle Kanäle zum Wissenserwerb“ auszuschöpfen. Und die richtigen Anreize zu setzen - unter anderem in Form von Förderungen. Im geografisch nahen Umfeld gebe es genügend Vorbilder, sagt Kühnel: „Deutschland hat als Anreiz Förderungen für fortbildungswillige Bürger aufgestockt und auch die Schweiz investiert 100 Millionen Franken in die Übernahme von Weiterbildungskosten.“

Es mangle auch bei uns nicht an Vorschlägen, sagt Kühnel, mögliche Anreize wären eine ausgeweitete steuerliche Absetzbarkeit für berufsbezogene Weiterbildungen oder eine Bildungsprämie für Unternehmen. Es gelte nicht zu vergessen, dass diese Vorhaben auch im Regierungsprogramm verankert sind, erinnert sie, denn: „Im Regierungsprogramm 2020-2024 ist festgelegt, ein Bildungskonto zu errichten. Der Zeitpunkt könnte kaum passender sein, denn viele neue Fähigkeiten werden nötig sein, um die Transformation der Wirtschaft in Bezug auf Digitalisierung und Energiewende zu schaffen“.

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