Medizin

Die richtigen Bewegungen lernen

Brian Horsak und sein Team analysieren Bewegungsabläufe.
Brian Horsak und sein Team analysieren Bewegungsabläufe.(c) F. Altphart
  • Drucken

Bewegungsanalyse verbunden mit Biomechanik: An der Fachhochschule St. Pölten werden neue Therapiemöglichkeiten für Menschen mit akuten Gehbehinderungen erforscht.

Schritt für Schritt und mit einer virtuellen Brille versehen – jede Muskelbewegung der Testperson wird aufgezeichnet, jede Veränderung im Schrittverhalten. „Wir beobachten den Bewegungsablauf sowie alle Aspekte, die die motorische Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können“, sagt Brian Horsak, während er im Digital-Health-Lab der Fachhochschule (FH) St. Pölten einen Probanden beobachtend vor einem PC sitzt. Horsak ist Leiter des Center for Digital Health and Social Innovation im Department Gesundheit und Koordinator der Gruppe „Motor Rehabilitation“.

Gangstörungen und Bewegungsstörungen sind häufig auftretende Probleme in allen Altersgruppen. Hierbei bieten für Horsak technische Innovationen ein wesentliches Potenzial, um den Herausforderungen in der Rehabilitation zu begegnen. Der FH-Forscher hat Sportwissenschaften studiert und an der Uni Wien im Fachbereich Biomechanik, Bewegungswissenschaft und Sportinformatik promoviert. Die Biomechanik, so Horsak, beschäftige sich mit der Bewegung des Menschen: „Merkmale und Eigenschaften der Bewegung werden quantitativ erfasst, analysiert und unter Anwendung mechanischer Gesetzmäßigkeiten modelliert.“

Im Forschungszentrum der FH wurde im Rahmen eines Projekts der Forschungsförderungsgesellschaft FFG eines der modernsten Gang- und Bewegungsanalyse-Labore Österreichs eingerichtet, das Digital-Health-Lab. Mit der am Beginn dieses Jahres vom Land Niederösterreich an Horsak verliehenen Stiftungsprofessur für angewandte Biomechanik in der Rehabilitationsforschung wurde nun der Forschungsschwerpunkt weiter verstärkt.

Hilfe etwa nach Kreuzbandriss

Horsaks Forscherteam kooperiert mit nationalen und internationalen Expertinnen und Experten aus den Bereichen künstliche Intelligenz, Virtual Reality und Physiotherapie. „Unser Ziel ist es, durch technische Innovationen die Versorgung der Patienten und Patientinnen zu unterstützen und zu verbessern.“ Das kann Menschen nach einem Kreuzbandriss ebenso betreffen wie beinamputierte Personen. Zudem wird auch auf dem Gebiet der Prävention gearbeitet. „Wir erproben, und wir entwickeln“, sagt der FH-Forscher.
Mithilfe eines Motion-Capturing-Systems wird die Bewegung einer Person dreidimensional erfasst. Zudem können mittels auf der Hautoberfläche angebrachter Elektroden die Muskelaktivitäten gemessen werden. So wird die Bewegung dreidimensional sichtbar gemacht. Bei einem Schritt über eine spezielle Kraftmessplatte werden zudem die Bodenreaktionskräfte aufgezeichnet. „Aus der Verbindung dieser Messdaten können wir zum Beispiel Gelenkskräfte beim Gehen oder bei anderen Alltagsaktivitäten berechnen“, sagt Horsak. Seine Forschungsgruppe beschäftigt sich auch damit, wie Machine- und Deep-Learning-Algorithmen genutzt werden können, um bei Problemstellungen in der medizinischen Entscheidungsfindung oder anderen Herausforderungen in der täglichen Routine zu unterstützen. Hierfür nutzt das Forschungsteam eine Unmenge an bestehenden Gang-Analyse-Daten. Mit dieser „assistiven Intelligenz“ kann die Behandlung in der klinischen Praxis unterstützt werden.

Mit VR-Brille spielerisch heilen

Ein zusätzlicher Forschungsbereich betrifft die Virtual Reality. „Wir kombinieren hier unsere Bewegungsanalyse-Systeme in Echtzeit mit der virtuellen Realität, um Biofeedback-Exergames (Anm., Fitnessspiele), klinische Testbatterien oder pädagogische Anwendungen zu entwickeln“, erklärt Horsak. Dabei stehen die Bedürfnisse der Patienten und Therapeuten im Mittelpunkt. In Kombination mit einer Virtual-Reality (VR)-Brille werden Spiele mit therapeutischem Sinn geschaffen, die Leute sind motivierter und haben mehr Freude an der Therapie. Das hilft wiederum dem Heilungsprozess. Kooperiert wird mit einigen Spitälern, darunter das Uni-Klinikum Krems.

Lexikon

Biomechanik beschäftigt sich mit Bewegungsabläufen in biologischen Systemen. Merkmale und Eigenschaften der Bewegung werden erfasst, analysiert und unter Anwendung mechanischer Gesetzmäßigkeiten modelliert.

Das Center for Digital Health and Social Innovation der FH St. Pölten verbindet Gesundheit und Digitalisierung. Brian Horsaks Team ist in den Bereichen Biomechanik, KI, Virtual Reality und Physiotherapie tätig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2022)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.