Junge Forschung

Parkinson: Mehr als nur ein Zittern

Die gebürtige Bregenzerin Stephanie Hirschbichler möchte mehr Bewusstsein dafür schaffen, dass Parkinson keine reine Bewegungsstörung ist.
Die gebürtige Bregenzerin Stephanie Hirschbichler möchte mehr Bewusstsein dafür schaffen, dass Parkinson keine reine Bewegungsstörung ist.(c) Lukas Aigelsreither
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Erhöhte Risikobereitschaft und Wesensänderungen sind wenig bekannte Symptome von Parkinson. In St. Pölten forscht die Neurologin Stephanie Hirschbichler an den Aspekten.

Hier hat man viele Gestaltungsmöglichkeiten, wenn man motiviert ist.“ Und diese Motivation hört man Stephanie Hirschbichler an, wenn sie über ihre Forschung an der Universitätsklinik in St. Pölten spricht. Nachdem sie bereits in England am University College London für ihren PhD an Dopamin geforscht hat, setzt die Neurologin ihre Arbeit seit einem Jahr in Österreich fort.
Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff im Nervensystem, ein Neurotransmitter. Einerseits ist es für die Signalweiterleitung über Nervenzellen zu den Muskeln und damit für die Muskelbewegung wichtig. Andererseits übernimmt es eine zentrale Rolle in der Impulskontrolle und Entscheidungsfindung. Ein Dopamin-Defizit spielt bei der Parkinson-Erkrankung eine Hauptrolle. „Die Basalganglien, eine Gehirnregion, die unter anderem für Bewegungsabläufe zuständig ist, filtern Aktionen nach deren Nutzen. Einerseits führen sie so dazu, dass man vorteilhafte Bewegungen ausführt – sprich ,grünes Licht‘ und ,Go‘–, während unvorteilhafte gehemmt werden – sozusagen ,rotes Licht‘, ähnlich einem Stopp-Signal, also ,No go‘“, erklärt Hirschbichler.

Spielsucht und Apathie sind Folgen

Aufgrund dieser komplexen Aufgabe löst ein gestörter Dopamin-Haushalt nicht nur Bewegungsstörungen aus, sondern ist auch für eine Reihe anderer Symptome verantwortlich, etwa für Impulskontroll-Störungen, Spielsucht oder Apathie. „Ich möchte das Bewusstsein schaffen, dass Parkinson keine reine Bewegungsstörung ist“, sagt die Medizinerin.
Durch das Research-Time-Out-Programm (RTO) der Karl-Landsteiner-Privatuniversität kann sie sich seit Juni zehn Wochenstunden nur der Forschung widmen. Hirschbichler möchte diesen Forschungsfreiraum dazu nutzen, in den nächsten zwei Jahren weitere Daten aus ihrer Zeit in England zu publizieren und die Kooperationen mit den dortigen Kollegen zu vertiefen, aber auch neue Kollaborationen z. B. mit der FH St. Pölten aufbauen.
„Mein Hauptziel ist die Charakterisierung von motorischen und nicht motorischen Symptomen, ausgelöst durch ein Dopamin-Defizit. Andererseits möchte ich die Effekte bzw. Nebeneffekte der Therapie abseits der Wirkung auf die Bewegung der Patienten genauer analysieren.“
Denn auch Parkinson-Medikamente können zu Problemen führen. „Kurz gesagt ist viel Dopamin nicht immer gut, und wenig nicht ausschließlich schlecht. Es muss genau die richtige Dopamin-Menge am richtigen Ort des ,Go‘- und ,No go‘-Signalwegs vorhanden sein, damit man weder impulsiv noch apathisch ist.“
Allein in Österreich sind zumindest 20.000 Menschen von Parkinson betroffen und können von gezielten Therapien profitieren. „Therapiestrategien der Zukunft sollen den Dopamin-Mangel so physiologisch wie möglich an den betroffenen Orten ausgleichen, während Regionen ausgespart werden sollen, in denen es kein Defizit gibt“, sagt Hirschbichler. Deshalb betreibt sie die Bewegungsstörungs-Ambulanz an der Universitätsklinik in St. Pölten. „Mir ist es wichtig, meine Patienten längerfristig zu begleiten, auch um die Therapiestrategie selbst bewerten und optimieren zu können.“
Neben Forschung und klinischer Tätigkeit bleibt nicht viel Zeit für andere Aktivitäten, vor allem weil die gebürtige Bregenzerin noch große Pläne hat: „Mein größtes Projekt ist die Habilitation, die möchte ich eben während der Zeit des RTOs vorantreiben.“

Die Hobbys müssen warten

Da bleibt das Tenorsaxofon der Wahl-Wienerin noch länger in einer Kiste, und auch die Segelleidenschaft muss noch eine Weile pausieren. „Aber ich möchte das in den nächsten Jahren wieder aufgreifen. In England haben wir sogar Kanalüberquerungen nach Frankreich mit dem Segelboot gemacht“, sagt Hirschbichler mit derselben Begeisterung, mit der sie über ihre Arbeit spricht. Doch aktuell brennt sie vor allem für die Forschung – mit dem Ziel, dafür zu sensibilisieren, dass Parkinson nicht nur „Zittern und Steifheit“ ist.

Zur Person

Stephanie Hirschbichler (37) studierte in Graz Medizin. Nach ihrer Assistenzarzt-Zeit in Berlin spezialisierte sich die gebürtige Bregenzerin in London auf die Wirkung von Dopamin auf die motorische und kognitive Kontrolle. Seit 2021 ist sie als Oberärztin am Uniklinikum St. Pölten tätig und forscht seit Juni 2022 im Zuge des Forschungsfreiraums (RTO) der Karl-Landsteiner-Privatuniversität.

Alle Beiträge unter: diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2022)

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