Wird es mit den Lohnerhöhungen noch teurer?
Inflation

Die Gefahr der Lohn-Preis-Spirale wird konkreter

Ökonomen fürchten, dass sich die Teuerung verselbstständigen könnte, falls die Lohnrunde hoch ausfällt.

Wien. Die sogenannte Kluncker-Runde hat ihren Ehrenplatz in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte. 1974 sorgte der deutsche Gewerkschaftschef Heinz Kluncker nach mehrtägigen Streiks der Müllabfuhr und Straßenbahner für eine Lohnerhöhung um elf Prozent. Es war die Zeit des ersten Ölpreis-Schocks, die Inflation lag bei annähernd zehn Prozent und die Regierung Willy Brandt in den letzten Zügen. Kluncker wurde für seine unerbittliche Verhandlungsmethode von den Genossen nicht einmal gefeiert. Viele Gewerkschafter fanden die elf Prozent zu niedrig. Heute steht die Kluncker-Runde als Paradebeispiel für den Beginn einer Lohn-Preis-Spirale. Denn die Lohnerhöhungen sorgten für höhere Preise, diese bedingten in den Jahren danach neuerlich sehr hohe Lohnabschlüsse. Die Energiepreise hatten sich schnell normalisiert, doch Preise und Löhne verselbstständigten sich. Am Ende kam der zweite Ölpreis-Schock und eine lange Stagflation. Also eine Zeit hoher Teuerung bei gleichzeitigem wirtschaftlichen Stillstand.

Fast 50 Jahren später geht das Gespenst der Lohn-Preis-Spirale wieder um. Nicht nur in Österreich. Kommenden Montag beginnen die richtungsweisenden Metaller-Lohnrunden. Dass die Gewerkschaft mit der Forderung nach einer zweistelligen Lohnerhöhung in den Ring steigen wird, gilt als so gut wie sicher. Immerhin lag die Teuerung zuletzt bei mehr als neun Prozent. Und mehr als 30 Prozent der Österreicher meinen, dass die Teuerung in den kommenden zwölf Monaten weiter steigen wird. Diese Befürchtung ist zwar nicht in Stein gemeißelt. Aber in der Inflation stecken nicht nur fundamentale Wirtschaftsdaten, sondern auch jede Menge Psychologie. Wenn die Menschen glauben, dass das Leben teurer wird, dann handeln sie dementsprechend.

„Das ist eine Selffulfilling Prophecy“, sagt Jan Kluge. Der Ökonom der Agenda Austria hat gemeinsam mit seinem Kollegen Dénes Kucsera vier Indizien ausgemacht, die für eine bevorstehende Lohn-Preis-Spirale sprechen. Als erstes Indiz sehen sie eben die hohe Inflationserwartung. Diese führt nun zu einer neuen Ausgangslage bei den Verhandlungen. Denn bisher war es Tradition, dass die Preissteigerungen der vergangenen zwölf Monate als Ausgangspunkt der Lohnrunde dienten.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kaufkraft

Was ist ein gerechter Lohn?

Wer trägt die Kosten der Energiekrise? Auf diese Frage läuft es in der Herbstlohnrunde hinaus. Gesucht ist ein Kompromiss, den die Menschen verstehen.
CORONAVIRUS: WIEN -  WIEDERER�FFNUNG GASTRONOMIE
premium

Was das Ende der kalten Progression bringt

Die Steuerstufen werden künftig jährlich valorisiert, zum Teil sogar über der Inflation. Daneben haben sich ÖVP und Grüne auch auf einen Automatismus bei den Sozialleistungen geeinigt.
Replik

Der Kuchen schrumpft, manche schneiden sich aber mehr ab

Gesamtwirtschaftliche Verantwortung gilt für alle, nicht nur für die Lohnabhängigen.
Lohnverhandlungen

Die Gewerkschaft geht aufs Ganze

Die Metallergewerkschafter legen mit ihrer Lohnforderung von 10,6 Prozent die Latte für die Arbeitgeber sehr hoch. Die Unternehmervertreter nannten es ein „unvernünftiges und überzogenes Paket“.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.