Einfluss aus Peking?

Twitters umstrittene Geschäfte mit China

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Chinesische Lokalregierungen und die Kommunistische Partei schalten massenhaft Anzeigen, um im Ausland zu werben. Der Kurznachrichtendienst steht wegen des stagnierenden US-Geschäfts unter dem Druck der Investoren.

China ist für Twitter zum wachstumsstärksten Anzeigenmarkt außerhalb der USA avanciert. Denn obwohl die Regierung in Peking ihren rund 1,4 Milliarden Bürgern den Zugang zu Twitter verwehrt, schalten chinesische Lokalregierungen und die Kommunistische Partei massenhaft Anzeigen, um im Ausland zu werben.

Twitter hatte zwar bereits 2019 ein Verbot für politische und staatliche Werbung ausgesprochen, jedoch eine Ausnahmeregelung für Unterhaltung, Sport und Reiseinhalte zugelassen. Diese Möglichkeit nutzten chinesische Institutionen, um bei einem internationalen Publikum für lokale Attraktionen sowie kulturelle und wirtschaftliche Errungenschaften zu werben. Selbst nach einem kompletten Werbeverbot im März 2022 schalteten chinesische Lokalregierungen sowie staatliche Medien weiterhin zahlreiche Anzeigen. Das geht aus einer Analyse der Nachrichtenagentur Reuters von öffentlich zugänglichen Regierungsausschreibungen, Haushaltsdokumenten und beworbenen Tweets aus den Jahren 2020 bis 2022 hervor.

Stagnierendes US-Geschäft sorgt für Druck

Diese zeigen erstmals, wie wichtig China für Twitter geworden ist. Der Kurznachrichtendienst steht wegen des stagnierenden US-Geschäfts unter dem Druck der Investoren, seine Wachstumsziele zu erreichen. Twitters Vertriebsteam habe lokale Regierungen in China aktiv umworben, sagten zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen. Spiele-, E-Commerce- und Technologieunternehmen in China seien ebenfalls wichtige Kunden. Der Umsatz von Twitter mit Übersee-Anzeigen an chinesische Kunden werde auf "Hunderte Millionen Dollar pro Jahr" geschätzt, sagen Insider, wobei der Großteil von diesen Unternehmen stamme. Der für Greater China zuständige Managing Director Alan Lan gab in einem mittlerweile gelöschten LinkedIn-Eintrag an, dass der Umsatz in der Region China seit 2014 um das 800-fache gestiegen sei. Twitter wollte sich dazu nicht äußern.

Die China-Strategie war auch innerhalb des Konzerns umstritten: Während Befürworter die Umsätze in China maximieren wollten, mahnten Kritiker angesichts wachsender Spannungen zwischen Peking und Washington vor einem Imageschaden durch Geschäfte mit staatsnahen Unternehmen, berichteten vier Insider der Nachrichtenagentur Reuters.

Ein Sprecher sagte, das Unternehmen habe nie verheimlicht, dass es mit chinesischen Unternehmen Geschäfte macht. Zu internen Diskussionen und der Umsatzentwicklung in China äußere man sich nicht. Das chinesische Ministerium für Kultur und Tourismus in Peking reagierte nicht auf eine Bitte um Stellungnahme.

Wasser auf Elon Musks Mühlen

Die Geschäfte mit China sowie jüngste Enthüllungen über den Einfluss des Landes bei Twitter sind Wasser auf die Mühlen von Tesla-Chef Elon Musk. Der Milliardär will vor Gericht erreichen, dass er seine 44 Milliarden Dollar schwere Übernahmeofferte nicht durchziehen muss. Im Juli war Musk mit Verweis auf angebliche Falschaussagen Twitters zur Anzahl von Scheinkonten auf der Plattform vom Kauf zurückgetreten.

Inzwischen wirft Musk Twitter auch vor, schwerwiegende Datensicherheitsmängel verheimlicht zu haben. Er stützt seine Argumentation dabei auf die Aussagen des früheren Twitter-Sicherheitschefs Peiter "Mudge" Zatko. Zatko hatte am Dienstag bei seiner Aussage vor dem Justizausschuss im US-Senat erklärt, einige Twitter-Mitarbeiter seien besorgt, dass die chinesische Regierung in der Lage sei, Daten über die Nutzer zu sammeln. Zudem sagte Senator Chuck Grassley bei der Anhörung, das FBI habe Twitter über mindestens einen chinesischen Agenten informiert, der bei dem Unternehmen arbeite.

Zatko zufolge waren Twitter-Mitarbeiter "beunruhigt", dass die Plattform Geld von Organisationen annahm, die mit der chinesischen Regierung in Verbindung standen. Darauf sei ihm gesagt worden: "Es wäre problematisch, wenn wir diese Einnahmequelle verlieren würden, also müssen wir einen Weg finden, wie wir es den Leuten schmackhaft machen können".

Während staatlich kontrollierte Unternehmen Werbung bei Twitter kaufen, verhaftet die chinesische Polizei vermehrt Bürger, die die Plattform zur Kritik an den Behörden nutzen. Chinesische Gerichte haben in den vergangenen drei Jahren Dutzende von Menschen verurteilt, weil sie Twitter und andere ausländische Plattformen zur Kritik an den Behörden genutzt haben, wie aus Gerichtsakten und Medienberichten hervorgeht.

(APA)

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