Analyse

Gesetz zur Medienfreiheit ohne Biss

Kommissionspräsidentin von der Leyen will die Medienfreiheit schützen, hält sich selbst die freie Presse aber meist auf Distanz.
Kommissionspräsidentin von der Leyen will die Medienfreiheit schützen, hält sich selbst die freie Presse aber meist auf Distanz. (c) AFP via Getty Images
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Die EU-Kommission will per Verordnung die journalistische Unabhängigkeit stärken und den Missbrauch staatlicher Werbung sowie unlauteren Einfluss einhegen. Das Ergebnis ist matt.

Brüssel. Angekündigt, umgesetzt: Ursula von der Leyen kann ein weiteres ihrer Versprechen abhaken. „Medienunternehmen können nicht wie jeder andere Betrieb behandelt werden. Ihre Unabhängigkeit ist essenziell“, hatte die Präsidentin der Europäischen Kommission vor einem Jahr in ihrer Rede zur Lage der Union vor dem Europaparlament erklärt. „Europa braucht ein Gesetz, das diese Unabhängigkeit sichert – und die Kommission wird im kommenden Jahr ein Medienfreiheitsgesetz vorlegen.“

Am Freitag präsentierten Thierry Breton, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Industrie, sowie Věra Jourová, seine Amtskollegin für Werte und Transparenz, besagten Vorschlag für eine Verordnung. Sichert er die Unabhängigkeit der Medien Europas? Nach Durchsicht des 67-seitigen Gesetzesvorschlags sowie einer ihn begleitenden 13-seitigen unverbindlichen Empfehlung muss man zu dem Schluss kommen: voraussichtlich nicht. Zwar beschreibt die Kommission die Malaise des Journalismus in so gut wie allen 27 Mitgliedstaaten mit scharfem Blick. „Es gibt wachsende Einflussnahme auf redaktionelle Entscheidungen von Mediendienstleistern in mehreren Mitgliedstaaten“, heißt es.

Zudem sei die kaufmännische Basis, auf der Journalismus in der EU passiert, zusehends wackelig und ungleich. Das liege an „der undurchsichtigen und unfairen Zuteilung wirtschaftlicher Ressourcen, allen voran internen Systemen der Reichweitenmessung, die Werbeflüsse verzerren“. Auch warnt die Kommission vor der gleichfalls „undurchsichtigen und unfairen Zuteilung von staatlicher Werbung, die bevorzugt an marktbeherrschende nationale Dienstleister geht oder verwendet wird, um gewisse Medienunternehmen zu bevorzugen und heimlich zu subventionieren, die regierungsfreundliche Sichtweisen verbreiten“. Besonders krass ist dieses Übel in Ungarn und Polen: Hier konnte der polnische staatliche Ölkonzern PKN Orlen eine große Regionalzeitungsgruppe kaufen und auf Linie der nationalautoritären Regierungspartei PiS bürsten, dort ist praktisch die gesamte nicht staatliche Presse in der Hand von Günstlingen des Ministerpräsidenten Viktor Orbán – was Ungarn vor Wahlen das Spektakel unzähliger identischer Titelblätter beschert.

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