Meeresbiologie

Pilze übernehmen im Ozean das Recycling von Proteinen

Eva Breyer und Federico Baltar Gonzalez von der Uni Wien holen bei Exkursionen über den gesamten Atlantik Wasserproben mit Pilzen.
Eva Breyer und Federico Baltar Gonzalez von der Uni Wien holen bei Exkursionen über den gesamten Atlantik Wasserproben mit Pilzen.(c) Breyer
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Früher hielt man Pilz-DNA in Meereswasser für Zufallsfunde von Sporen. Ein Team der Uni Wien geht den Mikropilzen detektivisch nach: Die Mikroben gehören zum marinen Plankton und sind wichtiger Bestandteil der Nährstoff-Kreisläufe im offenen Wasser.

Mitten in der Schwammerlzeit denken wir bei Pilzen eher an Essbares für uns Menschen. Doch Pilze können auch mikroskopisch klein sein, einzellige Wesen oder winzige Zellverbände. „An Land und im Süßwasser sind Pilze sehr gut erforscht“, sagt Eva Breyer vom Department für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie der Uni Wien. Gemeinsam mit ihrem Doktorvater und Gruppenleiter, Federico Baltar Gonzalez, untersucht sie die bisher wenig beachtete Gruppe der Pilze im Meeresplankton.
„Über diese kleinsten Pilze im offenen Wasser der Ozeane weiß man noch sehr wenig“, sagt Breyer, die jetzt im September einen Bachelorkurs über marine Pilze in Rovinj (Kroatien) leitet. Früher fand man ab und zu ein DNA-Stückerl von Pilzen im Meereswasser. Doch man nahm an, dass es sich dabei um Sporen oder dorthin vertragene Zellen handelte.
Die Gruppe der Uni Wien war eine der ersten weltweit, die diesen Spuren detektivisch nachging und erkannte, dass Pilz-DNA nicht zufällig in den Ozeanen schwimmt. „Wir schauen uns nicht nur die DNA an, die anzeigt: Wer ist da – also welche Organismen finden sich in dem Gewässer? Sondern wir schauen auch in die RNA, die zeigt: Was machen die Organismen dort?“, erzählt Breyer. Ihr Team will wissen, welche Aktivitäten und Funktionen die Meerespilze übernehmen. Für die aktuelle Studie, die im Journal Microbiome erschien, verglichen die Ökologinnen und Ökologen zahlreiche Daten aus den vergangenen Jahrzehnten, die sich mit Organismen des offenen Meeres befassten.

„Unsere Bioinformatik-Auswertung ergab, dass in allen globalen Ozeanen Meerespilze vorkommen und dass sie eine wichtige Rolle in den Kreisläufen des Ökosystems haben“, bestätigt Breyer. Schon 2021 publizierte das Uni-Wien-Team, dass frei schwimmende Mikropilze Kohlenhydrate wie Zuckerstoffe oder Pflanzenteile im Meer abbauen. „Nun haben wir genau die gleichen Gruppen der Pilze gefunden, die wiederum Proteine, also Eiweiße im Ozean abbauen“, sagt Breyer. Der Kreislauf der Kohlenhydrate ist demnach an den Kreislauf der Stickstoffe und Proteine gekoppelt, denn es sind die gleichen Organismen, die sich dieser annehmen. „In dieser Forschungsarbeit haben wir herausgefunden, dass marine Pilze sich hauptsächlich von totem Material ernähren. Jetzt erst erkennen wir, wie die Prozesse zusammenhängen.“ Ob Fischkot, abgestorbene Algen oder tote Planktonkrebse, all das dient den Meerespilzen als Nahrung: Sie schlüsseln diese Substanzen so auf, dass andere Lebewesen die Nährstoffe neu nutzen können. Ein Recycling des Biomaterials quasi, oder wie die Fachfrau sagt: „Ein wichtiger Bestandteil der globalen marinen Nährstoffzyklen.“ Immerhin besteht mehr als die Hälfte des im Meer vorkommenden organischen Materials aus Proteinen.

Mit dem Forschungsschiff zur Antarktis

„Bei Algenblüten können diese Pilze vom einzelligen Stadium in mehrzellige wechseln, also Fäden ausbilden, die man an Land auch als Hyphengeflecht kennt“, weiß Breyer. Sie fährt regelmäßig auf Forschungsreisen mit großen Schiffen aufs Meer. Anfang des Jahres kam die Expedition aus der Antarktis zurück. Davor erkundeten die Meeresbiologen die Arktis, Grönland und den gesamten Atlantik. „Diese Pilze finden wir an allen Stellen, wo wir Proben nehmen. Wir wissen nun, dass es keine Zufallsfunde sind, sondern die Mikropilze sehr aktiv sind im Ökosystem der Ozeane“, so Breyer. Bei jeder Expedition entdecken sie neue Aspekte der Meerespilze, weit hinausreichend über die grundlegenden Fragen: Wer ist da, wie viele seid ihr, und was macht ihr da?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2022)

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