Am Herd

Ein neuer Impfstoff ist da und keiner geht hin

(c) Die Presse/Clemens Fabry
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Es gibt einen angepassten Impfstoff, aber keiner geht hin. Oder jedenfalls fast keiner. Außer mir. Und ich bin auch nicht mehr so enthusiastisch wie früher.

Ja, das waren Zeiten. Als die Bürgermeister noch ganz zufällig im Altersheim auftauchten und den Oberarm hinhielten, damit der überzählige Impfstoff ja nicht verderbe. Als wir alle darauf warteten, dass eine neue Altersgruppe freigeschaltet würde, als wir uns zunehmend grantig einander vorrechneten: Also echt, wenn das in diesem Tempo weitergeht – da komme ich ja erst im Herbst dran. Und schließlich doch: Termine! Für meinen Mann! Für mich! Dann für die Kinder! Ich weiß noch, wie ich nach der ersten Impfung im plastikbestuhlten Wartesaal des Austria Center Vienna saß und in die WhatsApp-Familiengruppe das Foto meines Pflasters schickte. „Juhuu!!!“, schrieb mein Mann. „Wubwub“, schrieb Hannah. „Yayyy“, schrieb Marlene und schickte drei Wundertüten nach (oder was immer dieses Emoji darstellen soll).

Warten auf BA5? Morgen bekomme ich den vierten Stich. Kurzfristig einen Termin zu bekommen war kein Problem. Alles frei. Es gibt einen neuen Impfstoff, aber keiner geht hin. Oder fast keiner. „Ich weiß nicht“, sagt die Freundin. „Ich weiß nicht“, sagt der Kollege. „Ich warte noch“, sagt der Nachbar, dem ich im Supermarkt vor der Käsetheke über den Weg laufe. Die einen haben sich eh vor Kurzem angesteckt, die anderen warten auf den BA5-Booster, wieder andere auf den Beginn der nächsten großen Welle. Und ich bin auch nicht enthusiastisch. Die letzte Impfung ist nur schon verdammt lang her, viel, viel länger als die empfohlenen sechs Monate. Und die nächsten Wochen stecken voll super netter Gelegenheiten, mich doch noch zu infizieren.

Ja, der Zauber des Anfangs ist vorbei. Auch die Hoffnungen, die wir hatten: dass bald, bald, bald der Spuk vorbei sein würde. Nur noch ein Stich, dann sind wir geschützt. Nur den Winter überstehen, dann wartet ein virenfreier Sommer. Nur noch diese Welle, dann sind wir alle durchseucht und Corona kann uns nichts mehr anhaben. Lauter Enttäuschungen. Ich mag gar ja nicht mehr hoffen.

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