Seit der Pandemie gilt eine Erkenntnis fast als „common sense“ durchgesetzt: Die alte Idee der internationalen Arbeitsteilung hat sich überholt.
In der Krise ist die Globalisierung final an ihre Grenzen gestoßen. Lockdowns und zerrissene Lieferketten haben den Strom an billigen Smartphones und Spielgeräten aus China in den Westen jäh unterbrochen. Der letzte Rest an Vertrauen in den globalen Handel zerbröselt gerade angesichts der – für Europa – neuen Erfahrung, dass als Nebenprodukt des Ukraine-Kriegs so grundlegende Dinge wie Kohle, Öl und Gas knapp werden. Folglich schmieden die Staaten nationale Autarkiepläne und rüsten sich für ihr neues Dasein als Selbstversorger. Die Globalisierung, immerhin über Jahrzehnte der beste Garant für niedrige Inflationsraten im Westen, spielt bei den Überlegungen kaum eine Rolle.
Die Reaktion ist verständlich, greift aber zu kurz. Denn trotz aller Nachrufe, die in den vergangenen zwei Jahren auf die Globalisierung geschrieben wurden, erzählen die harten Zahlen eine ganz andere Geschichte. Die anhaltenden Lieferengpässe in gewissen Branchen haben das Wachstum des Welthandels zwar gebremst. Dennoch handeln die Staaten nur zwei Jahren nach Ausbruch der Coronapandemie schon wieder um ein Zehntel mehr Waren als vor der Krise, so das Ergebnis des ersten DHL Trade Growth Atlas der NYU Stern School of Business.