Der ökonomische Blick

Bitcoin und Co. als Schneeballsystem

„Schürfen“ von Bitcoin
„Schürfen“ von BitcoinREUTERS
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Genehmigungsfreie Blockchain-Technologien erfordern Krypto-Assets als Spekulationsobjekte.

Mit Schlagworten wie innovativ, digital, dezentral, fälschungssicher und token-basiert verstehen es die Apologeten der Kryptoszene, dahinterliegende Mechanismen zu verschleiern. Blockchain elektrisiert, und die implizit geschürte Angst, etwas zu verpassen, das „enormes Potenzial hat“, lässt den Sachverstand durch Emotionen ausschalten.
Um das Thema Krypto-Assets, also digitale Rechte, die in einer verteilten Datenbank in der Regel verschlüsselt abgebildet werden, kritisch hinterfragen zu können, ist das Verständnis der Organisation von Datenbanken notwendig. Das Management von Datenbanken, ein Überbegriff für die Organisation von Daten, die in einer bestimmten Form durch Gemeinsamkeiten verbunden sind, muss sicherstellen, dass die Daten insbesondere konsistent und widerspruchsfrei gespeichert sind. Eine einmalige zentrale Organisation ist folglich immer effizienter als die mehrfache dezentrale. Nur, wenn es gute Gründe gibt, der verantwortlichen zentralen Instanz nicht zu vertrauen, kann eine verteilte Datenbank die höheren Kosten rechtfertigen.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Dezentrale Datenbanken

Ist, aus welchen Gründen immer, die Entscheidung für eine dezentrale Datenorganisation gefallen („distributed ledger technology“), muss das Vertrauen der fehlenden zentralen Instanz durch eine technische Lösung, die Zugriff und Validierung von Änderungen in der verteilten Datenbank regelt, ersetzt werden. Wird dafür eine Blockchain-Technologie genutzt, kann der Zugriff privat oder öffentlich, die Validierung genehmigungsfrei oder -pflichtig geregelt werden. Sämtliche Krypto-Assets, beginnend mit Bitcoin, basieren auf einer öffentlichen, genehmigungsfreien Blockchain. Klingt – siehe die genannten Schlagwörter – einladend harmlos, bildet jedoch den Kern eines Schneeballsystems. Warum?

Um zu verhindern, dass die entsprechende Blockchain nicht manipuliert wird, erfordert Eintrag und Weiterführen der Kette (das „Schürfen“ eines neuen Blocks) systemimmanent einen Aufwand. Der soll so hoch sein, dass die Kosten der Manipulation der gesamten Blockchain den möglichen Ertrag, der sich aus der Aneignung der in der Blockchain repräsentierten Werte ergeben würde, übersteigt. Der enorme Ressourcenaufwand zur Lösung von (sinnlosen) Rechenaufgaben, um Einigkeit über die Gültigkeit eines neuen Blocks herzustellen, war die als Proof-of-Work bekanntgewordene Innovation von Bitcoin.

Zwingend Spekulation

Da es keine Instanz bzw. verantwortlichen Betreiber einer Krypto-Blockchain gibt, muss die Entschädigung für Validierung und Weiterführung aus dem Krypto-Asset-System selbst kommen. Das gelingt nur durch „Bezahlung“ mit genau diesem virtuellen Krypto-Asset. Der enorme, letztlich verlorene Ressourcenaufwand – Computer und Strom – muss von den Schürfern aber mit realem Geld bezahlt werden. Und das bekommen sie nur, wenn sie Personen finden, die mit gesetzlichen Zahlungsmitteln („echtes“ Geld) das Krypto-Asset kaufen. Nur der auf Kursgewinne spekulierende laufende Zustrom realen Geldes kann das System aufrechterhalten, was der Beschreibung eines Schneeballsystems entspricht.
Sowohl Kosten- und Effizienzgründe, als auch hohe Preisschwankungen als Assets ohne inneren Wert („Bubble-Assets“) machen Kryptos als Zahlungsmittel, abgesehen für den Handel mit anderen Krypto-Assets, ungeeignet. Als Investment-Case sowieso: Die Vorstellung, Kryptos würden nachhaltige Werte repräsentieren und darauf aufbauende Systeme einen gesellschaftlichen Nutzen haben, bleibt Fiktion.

Der Autor

Peter Brandner, Ökonom und Mitbegründer der Initiative Die Weis[s]e Wirtschaft, ist Lektor an der Universität Wien und Fachexperte für empirische Wirtschafts- und Finanzmarktforschung im Finanzministerium. Früher arbeitete er im Wifo, im IHS, auf der Universität Wien und bei der Oesterreichischen Nationalbank.

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